„Hast du einen Tampon für mich?“, wird sich in der Öffentlichkeit meist nur im Flüsterton gefragt. Zu groß ist die Scham, erklären Yasemin Markstein und Tanja Hagedorn, die Gründerinnen des feministischen Filmprojekts „Viva La Vulva”. In inszenierten, dokumentarischen und experimentellen Kurzfilmen berichten hier Mädchen und Frauen über ihre Erfahrungen mit der weiblichen Periode – ein Thema, das die Hälfte der Weltbevölkerung betrifft, über das aber weiterhin viele Missverständnisse und Vorbehalte verbreitet sind, unter denen Betroffene mitunter schwer leiden.
Die beiden Verantwortlichen des Projekts verbindet neben einer langjährigen Freundschaft der Wunsch, ein Filmprojekt zu machen, das die Periode in der Gesellschaft sichtbar macht. „Die Periode ist Daily Business, aber sie findet in der Gesellschaft kaum statt. Wir wollten für mehr Sichtbarkeit sorgen und aufzeigen, wie individuell die Periode für jeden sein kann“, erklärt Hagedorn.
Reden hilft
Sie ist überzeugt: „Die Periode geht uns alle an, doch die Räume für den Diskurs sind noch nicht ausreichend geschaffen. Außerdem hinkt die Forschung extrem hinterher.“ Das hat schwere Folgen für die Gesundheit von Betroffenen. So kann die Unterleibserkrankung Endometriose extreme Schmerzen verursachen und das Risiko für Unfruchtbarkeit drastisch erhöhen – sie wird aber vielfach als Periodensymptom abgetan und bleibt unerkannt (s. auch Interview S. 8). Die Belastungsstörung PDMS kann schwere depressive Episoden verursachen.
Häufig werden physische und psychische Symptome, die mit der Periode einhergehen als übertriebenes Verhalten abgetan. Bereits der Schulunterricht kläre über die Menstruation kaum auf, so Hagedorn, mit der Folge, dass Betroffene eigene Stimmungen und Körpersignale nicht richtig einschätzen könnten. Schon das Gespräch darüber kann eine „heilsame Erfahrung“ sein, zitiert Markstein eine ihrer Protagonistinnen.
Markstein stellt folgenden Vergleich an, um die Absurdität zu erläutern: „Angenommen, jeder Mensch würde einmal im Monat unter einer Grippe leiden. Das würde niemand hinterfragen und die Symptome würden ernst genommen werden. So müssen wir anfangen, die Symptome ernst zu nehmen.“
Was sich ändern wird
Hagedorn berichtet von der Äußerung einer Protagonistin, die unter starken PDMS-Symptomen leidet, die sich in dissoziativen Verstimmungen und suizidalen Gedanken äußern. „Du bist hormonell fremd gesteuert, wie soll man da noch den Alltag schaffen?“ Sie wünscht sich über ihr Filmprojekt hinaus, mehr Austausch über die Periode zwischen Eltern, Schule und Bekanntenkreis.
Auf die Erfahrungen und Einsichten müssen praktische Konsequenzen folgen, sind sich Markstein und Hagedorn einig. Sie plädieren insbesondere für einen offenen Umgang mit der Periode am Arbeitsplatz. Das fange mit einem Mülleimer auf Herren-WCs für menstruierende Männer an. So meint Hagedorn: „Wir müssen die Menstruation stattfinden lassen, sie betrifft uns alle. Und sie ist bestärkend, denn sie zeigt uns in der Regel, dass wir gesund und fruchtbar sind. Wir sollten eine Atmosphäre des Umarmens schaffen und anfangen, die positiven Aspekte hervorzuheben.“
DER GESCHMACK VON BLUT - Aktiv im Thema
profamilia.de/angebote-vor-ort/nordrhein-westfalen/beratungsstelle-koeln-zentrum/sexualpaedagogikyouthwork | Profamilia bietet sexualpädagogische Beratung für Jugendliche, Eltern und Institutionen an.
andheri-hilfe.de/informieren/gesundheit-ermoeglichen/tabu-menstruation-in-indien | Die in Bonn ansässige NGO Andheri Hilfe erklärt, welche Folgen das Menstruations-Tabu in Indien für die Betroffenen hat.
zukunftsinstitut.de/artikel/zukunftsreport/menstruation-wird-mainstream | Der Beitrag des Zukunftinstituts wägt ab, ob in Fragen der Menstruation nun endlich aufgeklärte Zeiten anbrechen.
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