Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
29 30 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11 12

12.562 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Geschäftsführer Ahmet Sinoplu
Foto: Jan Schliecker

Wege zum Selbst

28. August 2019

Coaching junger Migranten in Köln-Ehrenfeld



Tief in einem Gelände an der Oskar-Jäger-Straße in Ehrenfeld, zwischen Speditionen, Waschanlagen und Werkstätten, stößt der Verirrte plötzlich auf eine wichtige soziale Institution: den Verein „Coach“. Jugendliche mit Migrationshintergrund und junge Geflüchtete finden hier seit 15 Jahren kostenlos Unterstützung aller Art: schulisch, sozial, psychologisch, kulturell und lebenspraktisch. Um „Hilfe zur Selbsthilfe“ und die „Selbstermächtigung“ der Jugendlichen ginge es vor allem, erklärt uns der geschäftsführende Diplom-Sozialarbeiter Ahmet Sinoplu.

Die Story von Coach e.V. ist eine Erfolgsstory. Die „Kölner Initiative für Bildung und Integration Junger Migranten“ wird inzwischen von über 400 Jugendlichen von 12 bis 21 Jahren genutzt, somit bis hin zum Übergang ins Berufsleben. „In der Regel sind sie etwa 3 bis 5 Jahre hier“, sagt Sinoplu und verweist auch auf kleinere Außenstandorte in Bickendorf und Höhenberg. Das Team besteht heute aus 15 Hauptamtlern, 20 Honorarkräften und Minijobbern sowie rund 30 Ehrenamtlern. Gemeinsam würden 10 Sprachen beherrscht. Viele, die hier einmal Hilfe erhalten haben, engagieren sich heute selbst im Verein, etwa in der Hausaufgabenhilfe. Außer von Spendern wird die Arbeit des Vereins von Stadt und Land sowie von Stiftungen anerkannt und wesentlich unterstützt. Gründer Mustafa Bayram erhielt 2013 das Bundesverdienstkreuz.

Bayram habe damals erkannt, so dessen Nachfolger Sinoplu, „dass die Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte – insbesondere türkeistämmige, arabischstämmige – immer wieder in den sogenannten Maßnahmenprogrammen landen. Sie schaffen zum Teil ihre Abschlüsse nicht, zum Teil nicht einmal Hauptschulabschlüsse. Das kann eigentlich nicht sein. Die Jugendlichen haben mehr Potential. Wir müssen die viel früher erreichen, samt ihren Eltern, und präventiv, subjektorientiert arbeiten.“

Eltern würden alle das Beste für ihre Kinder wollen, aber oft nicht die Möglichkeiten, Strukturen und Rechte in Deutschland kennen. Gerade erst, so Sinoplu, habe der Verein über einen Widerspruch recht einfach die Versetzung einer Schülerin erreicht.

Studentinnen, die sich auf dem Außenhof auf eine Klausur vorbereiten, erzählen uns von Diskriminierungserfahrungen an Kölner Schulen. Die 20-jährige Aleyna, Tochter türkischer Eltern in Köln, sei zu Coach gekommen, weil sie „noch besser“ in Mathe werden wollte. Der rassistische Lehrer habe jeden Fehler genutzt, ihre Klausuren stark abzuwerten. Heute studiert sie Mathematik. Sinoplu bestätigt – wie auch die anderen Studentinnen –, dass Diskriminierung an Schulen Alltag und in wissenschaftlichen Studien gut belegt sei. „Darum ist unser Ansatz auch, die Diskriminierung als Realität anzunehmen und die Jugendlichen auf solche Erfahrungen vorzubereiten.“ Die Vision des Vereins sei heute die herkunftsunabhängige Chancen- und Bildungsgerechtigkeit. Eine Komponente der Vereinsarbeit ist die Sensibilisierung von Lehr- und Fachkräften aus pädagogischen Einrichtungen mit Vorträgen und Workshops.

Aber wie können Jugendliche das außerschulische Bildungsangebot, die Räumlichkeiten, die Gruppenprojekte und die Lebensberatung konkret in Anspruch nehmen? „Es ist kein Jugendzentrum, wo jeder kommt und geht, wann er will, sondern die Jugendlichen melden sich verbindlich an. Damit geht auch einher, dass die Eltern sich dazu bekennen und auch bereit sind, Elternseminare zu besuchen und die Elternarbeit mitzugestalten.“ Nur so komme man zum Ziel, für die Familien und Jugendlichen Teilhabe an der Gesellschaft zu erreichen.

Coach e.V. | Oskar-Jäger-Str. 139 | 0221 54 65 625


Junge Migration - Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema

Aktiv im Thema

jmd-koeln.de | Die Jugendmigrationsdienste bieten Beratungsangebote zur gesellschaftlichen Teilhabe aller jungen Menschen, unabhängig von der Herkunft.
coach-koeln.de | Die Kölner Initiative für Bildung und Integration junger Menschen macht Hilfsangebote u.a. für Berufswahl, Bewerbung und Sprachförderung.
grimme-lab.de/2017/05/25/vielfalt-foerdern-migranten-im-journalismus | Das Projekt unterstützt junge MigrantInnen auf Ihrem Weg in den Journalismus.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de.

Jan Schliecker

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

The Fall Guy

Lesen Sie dazu auch:

Strickjacke und Wüstenstiefel
Das Nö-Theater diagnostiziert den „Hannibal-Komplex“ – Auftritt 12/21

„Frische Einblicke“
Filmreihe des Refugee's Cinema Project ist online – Interview 01/21

Gelassen, nicht gleichgültig
Intro - Junge Migration

Pflegepersonal to go
Jens Spahn auf Shoppingtour in Osteuropa

„Auswirkung auf die Schwächsten“
Politikwissenschaftler Andreas Nölke über Probleme der Migration

Willkommenskultur statt Abschottung
In Portugal wünscht man sich mehr Flüchtlinge – Europa-Vorbild: Portugal

Im Quietscheentchenland
Verliebt in die Bürokratie

Living in a Box
„Making Home – Zuhause in der Fremde gestalten“ im Atelierzentrum Ehrenfeld – Kunst 01/19

Wir müssen reden
Britney X Festival thematisiert Diskriminierung und Recht auf Abtreibung – Spezial 05/18

Flüchtlingsschicksale
„Exodus – Der weite Weg“ in der Außenspielstätte am Offenbachplatz – Foyer 03/18

Neue Hoffnung schöpfen
Premiere des Kinderfilmprojekts „Grenzenlos“ – Kino 03/18

Blick nach vorne
Aktion „Reformation II“ von Pfarrer Hans Mörtter am Reformationstag – Spezial 11/17

Lokale Initiativen

Hier erscheint die Aufforderung!