Die Kameras der Presse haben sich bereits positioniert als Joachim Kühn vom RealFiction Filmverleih auf die Bühne vor der Leinwand im Depot 1 des Schauspiel Köln schreitet. Die aufgeregt tuschelnden Kinderstimmen verstummen. Herr Kühn freut sich vor allem die kleinen Gäste im Saal begrüßen zu dürfen. „Grenzenlos – Geschichten von Freiheit und Freundschaft“ besteht aus sieben einzelnen Episoden, die jeder im Saal verstehen kann, egal, wie gut er schon Deutsch spricht, denn die Geschichten kommen ganz ohne Worte aus.
Darüber hinaus begrüßt er die Schirmherrin des Projekts, Henriette Reker, die ebenfalls die Bühne betritt und mit klarer Position das Wort ergreift. Geflüchteten Menschen in Köln Zuflucht und langfristig ein neues Zuhause geben, liege ihr am Herzen. „Die Menschen, die sich für diese Stadt entschieden haben, sind eine Bereicherung für uns.“ „Ein ganz besonderes Anliegen“ sei ihr dieses Projekt. Es schenke Kindern eine Stimme, die sonst niemand hört. Sie spricht darüber, mit welchen Fragen sie in diese Filmvorführung geht. „Wenn ich als Kind meine Heimat Hals über Kopf hätte verlassen müssen, was hätte ich im Moment der Flucht mitgenommen? Wenn das die vielleicht einzige Entscheidung ist, die man als Kind im Krieg noch treffen kann?“
Ein Drache eröffnet den Film. Flatternd über den Dächern einer morgenländischen Großstadt, begleitet von der Musik eines einzelnen Zupfinstruments. Kinder versuchen Plastiktüten an langen Schnüren zum Aufsteigen zu bringen. Lachend scherzen sie miteinander vor der Kamera. Diese und weitere Filmsequenzen hat Khaled Nawal im Libanon, Jordanien und Griechenland gefilmt. Sie sind Teil der sieben Episoden, die – als Real- und Animationsfilme konzipiert – die Geschichten der geflüchteten Kinder erzählen.
Ein Mädchen kommt mit ihrer Familie in einer leeren Wohnung an. Sie ist ungefähr im gleichen Alter wie die kleinen Zuschauer im Publikum, die sich nach der Schauspielerin umblicken. Zurück auf der Leinwand spielt sie mit einer Lupe. Ein Blick durch das Glas malt für sie bunte Farben und Muster an die Wände des anfangs tristen, neuen Zuhauses. Die in Gedanken mitgenommene Heimat verschwimmt mit der deutschen Gegenwart (Regie: Nazgol Emami).
Einige Episoden zeigen die „allerliebsten Lieblingsdinge“ (Regie: Diana Menestrey und Camilo Comenares) der Kinder, die sie selber gemalt haben und die durch Animation zum Leben erweckt wurden. Sara musste Hals über Kopf aus ihrer Heimat fliehen, hat den Krieg in sich allerdings mitgenommen. Der Bombenhagel klingt in den Ohren der Zuschauer wieder, Tränen kullern das von Trauer und Angst verzerrte Gesicht des Mädchens hinab. Im Saal ist es ganz still. Alle sind gebannt von dieser zwar mit so einfachen Bildern erzählten, aber dadurch umso kraftvolleren Geschichte.
Im Zuschauerraum befinden sich einige der Filmemacher. Nicht nur die Initiatoren, Regisseure, Tontechniker, Kameraleute und Animateure, sondern vor allem die kleinen Protagonisten werden nach vorne auf die Bühne zur Danksagung eingeladen. Joachim Kühn verdeutlich erneut, dass dies kein gewöhnliches Projekt sei. Es sind Geschichten, die es wert seien, gehört zu werden – von so vielen Menschen wie möglich. Real Fiction bietet den Film, der von der Kölner Bildersturm Filmproduktion in Kooperation mit Goethe Institut, KHM und WDR hergestellt wurde, Schulen, Flüchtlingsinitiativen und anderen interessierten Institutionen an – wie hier als Gesamtwerk oder als Episoden.
Es sind Geschichten über die grenzüberwindende Kraft von Freundschaft – eine Inspiration dazu, mit seinen Mitmenschen die gemeinsame Gegenwart und eine lebenswertere Zukunft zu gestalten.
„Grenzenlos – Geschichten von Freiheit und Freundschaft“ (ab 6 Jahren) | R: Nazgol Emami, Diana Menestrey & Camilo Colmenares, Madeleine Dallmeyer, Johanna Bentz, Khaled Nawal, Sandra Dajani | ab 22.3. in der Filmpalette | 0221 952 21 11
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24
Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24
„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24
Dunkle Faszination
Franz Kafkas „Der Prozess“ am Schauspiel Köln – Auftritt 02/24
Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
Ein Martyrium der Erniedrigung
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/23
Ohne Opfer kein Krimi
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Prolog 12/23
Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23
Verliebt, verlobt, verlassen?
„Erstmal für immer“ am Schauspiel Köln – Prolog 10/23
Des Königs Tod und des Müllers Beitrag
„Yazgerds Tod“ am Schauspiel Köln – Auftritt 10/23
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
„Wir erlebten ein Laboratorium für ein anderes Miteinander“
Carmen Eckhardt über „Lützerath – Gemeinsam für ein gutes Leben“ – Portrait 05/24