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Carsten Jung und Anna Polikarpovain „Liliom“
Foto: Holger Badekow

Treffen zweier Legenden

30. August 2012

Nah am Musical: Legrand/Neumeiers „Liliom“-Ballett – Musical 09/12

Man stelle sich einmal vor, ein deutsches Stadt- oder Staatstheater beauftragt einen Broadway-Komponisten mit einem Auftrags-Musical. So weit geht die Liebe unserer Intendanten zum Genre dann doch nicht, gibt man – bis auf wenige Ausnahmen – doch nicht einmal einheimischen Musical-Komponisten eine Chance, ihre Werke aufzuführen.

Die Hamburger Staatsoper hat einen Schritt in diese Richtung gewagt und den weltbekannten Film- (u.a. „Thomas Crown ist nicht zu fassen“, „Yentl“) und Musical-Komponisten (u.a. „Die Mädchen von Rochefort“) Michel Legrand beauftragt, für John Neumeiers Ballett „Liliom“ eine Partitur zu schreiben. Und da Legrand seine Musik für klassisches Orchester und Jazz-Bigband arrangiert hat, ist die dem Broadway und Hollywood nicht fern. Zumal das auf dem 1909 uraufgeführten Theaterstück des ungarischen Dramatikers Ferenc Molnár beruhende Ballett mehrmals verfilmt wurde (u.a. 1934 von Fritz Lang) und als Musical („Carousel“, 1945) die Bühnen der Welt erobert hat – und mit seinem bekanntesten Song („You’ll Never Walk Alone“) mittlerweile auch die Fußballstadien der Welt.

Nun, in John Neumeiers grandioser Ballett-Version wird selbstverständlich nicht gesungen, obwohl die Melodien von Michel Legrand jederzeit diese Möglichkeit offen zu halten scheinen. Sie umwickeln einen mit der musikalischen Poesie des wohl größten lebenden Film- und Musical-Komponisten, der John Neumeier seine genialen, erzählenden Ballett-Kreationen gegenüberstellt.

Neumeier hat die Handlung in die amerikanische Depressionszeit der 30er Jahre verlegt. Zwischen der bunten Leuchtreklamewelt eines Rummelplatzes und dem tristen Alltag der vor den Arbeitsämtern Schlange stehenden Menschen spielt die Geschichte des Hallodri Liliom, der zwar mit der unscheinbaren Kellnerin Julie eine Familie gegründet hat, aber dennoch ein Auge auf die mondäne Karussellbesitzerin Frau Muskat (Anna Polikarpova) geworfen hat.

Als er sich in seiner finanziellen Not zu einem Überfall auf sie hinreißen lässt, ersticht er sich nach dessen Misslingen. Nach vielen Jahren bringt ihn sein „Engel“ (Sasha Riva) zurück auf die Erde, damit er seinen Sohn Louis (Aleix Martinez) und seine Frau wiedersehen kann.

Die Gastballerina Alina Cojocaru vom Londoner Royal Ballet und Carsten Jung tanzen die Hauptrollen in einer von Legrands elegischer Musik getragenen Harmonie, die große Gefühle evoziert, die sich nahtlos ins berührte Publikum übertragen. Auch das von lasziver Erotik getragene Beziehungs-Duett zwischen Liliom und Frau Muskat knistert noch in den hintersten Reihen der Hamburger Staatsoper.

Auch wenn sich hier mit Legrand und Neumeier zwei Legenden zu einem Geniestreich vereint haben, darf man den Dritten im Bunde nicht vergessen: Ferdinand Wögerbauer schuf ein wunderbares Bühnenbild zwischen Verspieltheit, Realismus und surrealen Momenten. In diesem faszinierenden Rahmen glänzt ein Ensemble, das die Ballett-Kunst zu einer geradezu schwerelosen macht, die – ohne die Klassik zu verraten – sich dem Musical annähert und in ihrer Verschmelzung beiden Genres neue Reize vermittelt.

Es muss also nicht immer der „König der Löwen“ sein, wenn man zum Musical-Trip nach Hamburg aufbricht. In der Hamburger Staatsoper gibt es „musicalisches“ Neuland zu entdecken.

nächste Vorstellungen: 26./28./30.9., 31.12., 4./6.1., 25.6.2013 I www.hamburgische-staaatsoper.de

Von Rolf-Ruediger Hamacher

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