Der Machtkampf in „Alle Anderen“ – er könnte symbolisch für eine gescheiterte Beziehung innerhalb des IFFF stehen. Denn dem diesjährigen Festival, das vom 21. bis zum 26. April in Dortmund stattfand, ging Anfang des Jahres eine traurige Meldung voraus: Der Kölner Feminale e.V. hat die Zusammenarbeit mit dem IFFF Dortmund I Köln e.V. beendet.
Am Ende einer langen Woche mit Filmen von und über Frauen stand er wieder, der gute alte Geschlechterkampf. Doch er hätte kaum unpopulistischer und sensibler sein können als in „Alle Anderen“, dem Siegerfilm des mit 25.000 Euro dotierten Wettbewerbs beim Internationalen Frauenfilmfestival (IFFF). Für Paola Paoli, die italienische Festivalleiterin der Jury, ist es ein „wundervoll inszenierter Film, perfekt gespielt und ebenso unterhaltsam wie intelligent“. Der Film beobachtet ein Paar Anfang 30 während seines Urlaubs auf Sardinien. Unsicherheiten, Zukunftsängste, Entscheidungsnöte, Taktiererei und das Hinterfragen des Selbstbilds scheinen ganz undramatisch in diesem realistischen Drama. Die Beschreibung dieses Machtkampfs hat nichts Spektakuläres, sondern ist eine sehr genaue Beobachtung der Verhaltensweisen irritierter Geschlechterrollen.
Der Machtkampf in „Alle Anderen“ – er könnte symbolisch für eine gescheiterte Beziehung innerhalb des IFFF stehen. Denn dem diesjährigen Festival, das vom 21. bis zum 26. April in Dortmund stattfand, ging Anfang des Jahres eine traurige Meldung voraus: Der Kölner Feminale e.V. hat die Zusammenarbeit mit dem IFFF Dortmund I Köln e.V. beendet. Das Festival fand in diesem Jahr zwar erst zum vierten Mal statt, hat aber trotzdem eine lange Tradition. Denn es ging 2006 aus zwei altgedienten Frauenfilmfestivals hervor – der femme totale in Dortmund und der Feminale in Köln. Die Fusion wurde auf kommunalen Druck vereinbart, um die Strahlkraft zu stärken. Das Festival fand von nun an abwechselnd in Dortmund und Köln statt. Organisatorischer Hauptsitz des Festivals sollte jedoch Dortmund sein, da dort die kommunale Förderung großzügiger als in Köln ausfällt. Nach zwei erfolgreichen Kölner und einer Dortmunder Ausgabe folgte in diesem Jahr wieder Dortmund als Austragungsort. Ein Novum stellten die Vorführungen der Wettbewerbsfilme auch in der Partnerstadt dar – also in Köln. Vielleicht ein Versuch, die Balance zwischen den beiden ehemals konkurrierenden Festivalbetreiberinnen zu halten, der leider zu spät kam. Die Positionen waren inzwischen unvereinbar. Während die Feminale kritisiert, systematisch aus den entscheidenden Positionen verdrängt worden zu sein und beklagt, dass seinerzeit festgelegte Vereinbarungen gebrochen wurden, gibt die Dortmunder Seite den Ball zurück: Die Feminale habe sich sukzessive aus der Verantwortung zurückgezogen, man sei genötigt worden zu handeln.
Das Publikum hatte unter diesen Querelen indes nicht zu leiden: Mit 8.000 BesucherInnen konnte die Festivalleitung stabile Besucherzahlen vermelden. Am 21. April wurde das Festival im Dortmunder CineStar mit Léa Pools „Mommy is at the Hairdresser‘s“ erfolgreich eröffnet – in Köln lief der Film am Abschlusstag im OFF Broadway. Der Eröffnungsfilm erzählt sensibel vom Zerfall einer Familie in den 60er Jahren in Kanada. 125 weitere Spiel- und Dokumentarfilme aus 27 Ländern waren in den folgenden fünf Tagen in den verschiedenen Sektionen des Festivals zu sehen. Im Wettbewerb liefen neben „Alle Anderen“ beeindruckende Dramen wie „Wendy and Lucy“ von Kelly Reichhardt. Die BesucherInnen der Vorstellungen in Köln und Dortmund sahen einen tragikomischen Film über die junge Wendy (Michelle Williams aus „Brokeback Mountian“), die auf der Suche nach Arbeit in ihrem Wagen durch die USA reist. Immer dabei: Ihr Hund Lucy. Dann geht ihr Wagen kaputt, und sie verliert auch noch Lucy. Reichhardts letzter Film „Old Joy“ von 2005 lief erst vor wenigen Monaten in den deutschen Kinos. Rein rechnerisch muss man auf einen Kinostart von „Wendy and Lucy“ somit bis 2011 warten. Man sieht: Ein Festivalbesuch lohnt sich. Ob der Gewinner des mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreises, gestiftet von choices-Herausgeber Berndt Media, jemals regulär ins Kino kommt, ist hingegen ungewiss. “Himalaya, a Path to the Sky“ von Marianne Chaud portraitiert einen achtjährigen buddhistischen Mönch, der schon mit fünf Jahren überzeugt war, die Reinkarnation eines kürzlich verstorbenen Mönchs zu sein. Also zog er in ‚sein‘ Kloster, wo er seither lebt.
Die Kölner Vorstellungen der acht Wettbewerbsbeiträge fanden im OFF Broadway und im Filmforum im Museum Ludwig statt. Leider waren die Umstände ungünstig: Gutes Wetter und allerlei Kunstevents rund um die Art Cologne zogen sicherlich Publikum ab, außerdem standen für Köln keine Werbemittel zur Verfügung. Unter den gegebenen Umständen, so Stefanie Görtz vom IFFF, war das jedoch ein guter Anfang. Die Dortmunder Ausgabe des Festivals bot neben dem Wettbewerb und dem Themenschwerpunkt ‚Fokus Freiheit‘ noch zahlreiche Seminare, Workshops und Sondervorstellungen. Das Zerwürfnis mit der Kölner Feminale blieb ein Wermutstropfen. Es ist zu hoffen, dass mit dem Ausstieg der Feminale Köln als zweiter Standort für das Festival nicht ausfällt und man sich im nächsten Jahr tatsächlich wieder – wie bereits von dem IFFF betont – auf ein Internationales Frauenfilmfestival in Köln freuen darf.
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