Als Schauspieler habe er sich nie gesehen, schreibt Bud Spencer gleich mehrfach in seiner Autobiografie, die seit Monaten die Bestsellerlisten anführt und ihn alle paar Wochen zu völlig überlaufenen Autogrammstunden zurück nach Deutschland führt (Bud Spencer: Mein Leben, meine Filme – Die Autobiografie, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2011). Der heute 82jährige Neapolitaner, den sie „Dampfhammer“, „Plattfuß“, „Mücke“, „Bambi“ und „Nilpferd“ nannten, begeisterte mit seinen Prügelklamotten binnen 15 Jahren über 90 Millionen Deutsche – ein Rekord, mit dem allenfalls die Ufa- und Heimatfilm-Stars der dreißiger bis fünfziger Jahre mithalten können. Eher zufällig stolperte der Schwimmer Carlo Pedersoli in den sechziger Jahren auf die Sets unterbesetzter Monumentalschinken und Spaghettiwestern, und wurde als Bud Spencer unverhofft zum Hauptdarsteller und Kassenstar. Mit „Die rechte und die linke Hand des Teufels“ und „Vier Fäuste für ein Halleluja“ etablierten er und sein Kollege Terence Hill zusammen mit Regisseur Enzo Barboni den „längst überfälligen“ komischen Western. Beide Filme wurden als „Vergnügen, das kein Fernsehen bieten kann“, so der deutsche Adria-Filmverleih 1972, zu Rennern in ganz Europa und zogen in einzelnen Kinos, etwa dem Düsseldorfer Residenz der UFA, binnen weniger Monate 120.000 Besucher an. „Wir betonten die Farce, das Komische. (...) Terence Hill / Mario Girotti, ein wohlorganisierter, professioneller Schauspieler, und Bud Spencer / Carlo Pedersoli, ein naiver Typ mit einer gewissen „Scheiß drauf“-Haltung“, so Spencer in seinem Buch.
Ihre Vorliebe für flotte Sprüche und kräftige Kinnhaken übertrugen die beiden Italiener in den folgenden Jahren vom Western in moderne Krimiparodien, aus den spanischen Hochebenen und brasilianischen Regenwäldern in die Südsee und nach Miami. Als Erfolgsgaranten dienten neben der Ohrwurmmusik der De-Angelis-Brüder ein fester Stamm an Knallchargen und die einprägsamen Plakatmotive. Spencer reüssierte bald auch als Solodarsteller, etwa in den „Rocky“-Parodien „Sie nannten ihn Mücke“ und „Der Bomber“ sowie den vier „Plattfuß“-Filmen. Das italienische Kino florierte und kunstvolle, auf originelle Kalauer bedachte Synchronisationen, in Deutschland vorgenommen von Rainer Brandt, sorgten bis zum Aufkommen des amerikanischen Blockbusterkinos à la Spielberg für randvolle Säle und zig Wiederaufführungen samt mehrfachen Umbenennungen. Immer waren es dabei blasierte Bösewichte, großkotzig auftretende Macher und fiese Bosse, die von dem massigen Bartträger und Eigenbrötler ordentlich eins auf die Glocke bekamen. Unvergessen die Szene, wo Spencer und Hill in „Zwei außer Rand und Band“ als Polizeischüler zwei Staatsanwälte aus ihrem Schlitten ziehen, um sich über deren Personalausweise und Golfclub-Mitgliedskarten zu mokieren. Ja, das Kino des Bud Spencer war und ist fraglos eine Volksbelustigung ganz im Geiste der ersten Kinotage, auf der Seite der Zukurzgekommenen und Verlierer, gegen das Großkotzige der Studierten, Geschäftemacher und Bescheidwisser. So gesehen kein Wunder, dass das Feuilleton die Filme durch die Bank ablehnte, während das Publikum, glaubt man ehemaligen Platzanweiserinnen der einschlägigen Kinocenter, auch mal etwas ruppig werden konnte. Spencer nahm sich selbst nie sehr wichtig. In seinem durchaus nachdenklichen Buch berichtet er von plötzlicher Krankheit, von rassistischen Drohungen gegen seinen Co-Star Bodo während eines Südafrika-Drehs, seinem Lieblingsfilm „Banana Joe“ und einer Gala, bei der er am selben Tisch mit Catherine Deneuve und Gérard Depardieu saß – die ihn den ganzen Abend keines Blickes würdigten.
Seit Jahren veranstalten Fanclubs jeden Sommer Treffen, auf denen mehrere der alten Filme hintereinander gezeigt werden. Nun aber adelt das Berliner Babylon-Kino den Dicken mit den harten Fäusten und dem goldenen Herzen vom 19.8. bis 21.9. mit einer fast lückenlosen Retrospektive. Dazu wird Spencer am 19. und 20.8. vor Ort über sein Buch und die dazu neu erschienene Hörfassung diskutieren, Autogramme schreiben und die Werkschau im Beisein seiner Familie feierlich eröffnen. Ein Großteil der Filme, vor allem jene, die seinerzeit von der deutschen Tobis verliehen und vom bereits verstorbenen Horst Wendlandt co-produziert wurden, werden von Original-35mm-Kopien vorgeführt. Infos und Karten unter www.babylonberlin.de/budspencer.htm
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