Der Blick gerät skeptisch. Saskia Rudat und Ivo Schneider schauen von der Galerie auf die Spielfläche der Studiobühne. Das Duo kommt schließlich herunter und setzt sich auf die hölzerne Bank – sprachlos, schweigend. Die Skepsis gilt nicht dem Spielort, sondern der eigenen Beziehung. Sie liest Milo Raus Essay „Was tun?“, er läuft mit dem Handy herum und heischt um Aufmerksamkeit.
Sächsische Schweiz nennt sich das Duo Saskia Rudat und Ivo Schneider. Beide studieren Physical Theatre an der Folkwang Universität der Künste und präsentieren ihren Abend „Stellen Sie sich vor, wir wären in Bern“ als Nachwuchsproduktion des west off Festivals 2015 vor. Es ist inzwischen das vierte gemeinsame Stück des Duos. Schneider kapert schließlich die Aufmerksamkeit von Rudat, indem er physikalische Fragen anspricht: Fliehkraft, String Theorie, Dichte der Flüchtlingsströme, Geometrie der Raumzeit – das Runterbrechen der Physik auf die Dialog- bzw. die Beziehungsebene und auf gesellschaftliche Fragen ist allerdings nur das Eine; zugleich stellen die beiden assoziative Bezüge zur physischer Aktion her: Zeitlupenbewegungen, Schulter- oder Einbeinstand usw. Die Debatte über rhizomatische Verbindungen wird zum Stolperstein und zur Utopie: Während Schneider vergeblich Rudat zu umarmen versucht und für gleichwertige Liebesbeziehungen plädiert, echauffiert sich Rudat bis zur Verzweiflung über nicht gelingende, hierarchische Beziehungen. Sie kann und will sich keine rhizomatische Verbindungen vorstellen und weiß doch zugleich um die nicht zu überwindende Einsamkeit jedes Einzelnen. Während Schneider sich schon mal zukünftige Sexpartner im Publikum ausguckt, beschränkt sich Rudat auf mögliche emotionale Beziehung – was dann unter Gendergesichtspunkten doch etwas schlicht ist. Der Abend ist witzig, variiert Tempo und Emotion, verliert sich aber noch allzu sehr in seinem assoziativen Textgewitter. Vor allem aber wirkt die physische Ebene oft eher kommentierend und additiv, ohne eigenständige Bedeutung zu entwickeln.
„Stellen Sie sich vor, wir wären in Bern“ | R: Sächsische Schweiz | 22.-26.1. 20 Uhr | Studiobühne | 0221 470 45 13
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