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Charles Camoin, Portrait de ma mère dans son salon, 1897, Öl/Lw, Musée d'art moderne de la Ville de Paris, courtesy Clemens-Sels-Museum, Neuss

Pathetisch und nüchtern

27. September 2012

Sofia Hultén und Gustave Moreau in Neuss – Kunst in NRW 10/12

Vis-à-vis von Düsseldorf, unfern von Köln und schon am Niederrhein liegt Neuss. Zu den beeindruckenden Zeugnissen der Stadt gehören das St. Quirinus-Münster aus dem 13. Jahrhundert und das Obertor, das südliche Stadttor, das um 1200 errichtet wurde und heute Teil des Clemens-Sels-Museum ist. Ein weiteres herausragendes kulturelles Ziel ist die Museumsinsel Hombroich mit ihren Nachbarn, dem „Feld-Haus – Museum für populäre Druckgraphik“ und der Raketenstation, auf der sich die Langen Foundation befindet, als Museum besonders für europäische Kunst des 20. Jahrhunderts und ostasiatische Kunst. Während die Langen Foundation derzeit an den 100. Geburtstag seiner Stifterin Marianne Langen erinnert, feiert das Clemens-Sels-Museum das 100jährige Jubiläum seines Neubaus. Seine Geburtstagsausstellung widmet sich dem französischen Symbolisten Gustave Moreau und stellt diesen als herausragenden Maler des 19. Jahrhunderts sowie als einflussreichen Lehrer an der Paris Akademie der Schönen Künste vor: Zu sehen sind in Neuss auch Werke von fünf seiner Kollegen und seinen beiden bedeutendsten Schülern Henri Matisse und Georges Rouault, die erst bei ihm zu Koloristen wurden. „Moreau wies uns keinen Weg, sondern brachte uns vom Weg ab, weckte die Unrast in uns“, hat Matisse später gesagt. Dass Moreau gerade die Unterschiede förderte, verdeutlicht die Ausstellung. Der Ansatz ist interessant. Denn er befreit Gustave Moreau (1826-1898), der als wichtigster französischer Symbolist gilt und zum Vorbild für die Surrealisten wurde, weiter von der Zuweisung als illustrierender Maler. Zwar konzentriert er sich auf mythologische und biblische Themen, die er in die Natur einbettet, aber wie er malt, ist modern und mitunter sensationell. Er handelt impressionistisch, er arbeitet mit leuchtenden Farben und dringt dabei bis in die Abstraktion vor. Schade nur, dass es sich bei den gezeigten Werken von Moreau weitgehend um Papierarbeiten handelt.

Vielleicht ergänzt es sich deshalb so gut: Während im Clemens-Sels-Museum also Malerei des 19. Jahrhunderts zu sehen ist, die insgesamt weltabgewandt und sinnlich wirkt, zeigt die Langen Foundation parallel zur eigenen Sammlung mit der Schwedin Sofia Hultén (geb. 1972) eine Künstlerin, die mit den Baumaterialien unserer Tage arbeitet und diese nüchtern und pragmatisch einsetzt. Da sind die drei übereinander getürmten Wagenheber, die als Stelen vom Boden zur Decke reichen. Da wird auf einem Monitor sukzessive der Inhalt einer alten Werkstoffkiste wie ein Alphabet vorgeführt. Da ist die Projektion eines Filmes, der eine Baustellensituation mit einem Müllcontainer zeigt, vor dem unbewegt eine junge Frau steht, und nur am Straßenlärm merkt man, es hier nicht mit einem Standbild zu tun zu haben. Aber Hultén schafft Fallstricke, die Brocken auf dem Boden sind Abgüsse von Steinen und zum Film liegt eine Anweisung aus, wie man allein mit seinen Gedanken den Container bewegt. Humorvoll und im Ernst, Hultén setzt Energien frei und verleiht den Dingen unserer technischen Umgebung eine geradezu magische Präsenz. Auch die nüchternste Realität besitzt viele Dimensionen.

„Sofia Hultén – Statik Elastik“ | Langen Foundation, Raketenstation Neuss | bis 7.11. | www.langenfoundation.de

„Sehnsucht nach Farbe – Moreau, Matisse & Co.“ | Clemens-Sels-Museum, Neuss | bis 13.1. | www.clemens-sels-museum.de

Thomas Hirsch

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