Ob’s mit der Weihnachtszeit zusammenhängt? Immer im Dezember zeigen die Museen die visuell attraktivsten Ausstellungen, gerne zur Klassischen Moderne. Freilich können die immensen Kosten auch nur dann eingespielt werden, wenn eben alle die Zeit für den Ausstellungsbesuch haben. In diesem Jahr führt dies zur glücklichen Situation, dass in NRW gleich mehrere Ausstellungen zu sehen sind, die sich der Malerei Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts widmen. Das Clemens-Sels-Museum in Neuss zeigt eine Ausstellung zu Gustave Moreau und seiner Schule, und im Museum Folkwang in Essen, im Osthaus Museum in Hagen wie auch im Wallraf-Richartz-Museum in Köln werden anhand hochkarätiger Bilder die kunsthistorischen Zusammenhänge dieser Zeit untersucht.
Eine besondere Verbindung besteht ja auch zwischen den Museen in Hagen und Essen: Nach dem Tod des Hagener Museumsgründers Karl Ernst Osthaus 1921 veräußerten seine Erben große Teile seiner Sammlung mitsamt dem Label „Folkwang-Museum“ an die Stadt Essen. Die derzeitige Ausstellung in Hagen vermittelt nun, wie breitgefächert die Sammelinteressen von Osthaus tatsächlich waren. Sie liefert einen Einblick in das Archiv und arbeitet mittels der Kunstwerke die Rolle des Jugendstils zwischen Impressionismus und Expressionismus heraus; plausibel vollzieht sie den Sprung in die Gegenwart des heutigen Osthaus Museum Hagen. Passend dazu demonstriert jetzt das Essener Museum, was Osthaus an damals avantgardistischer Kunst gesammelt hat. Anhand seines Bestandes, erweitert um hochkarätige Leihgaben aus aller Welt, geht das Museum Folkwang dezidiert den Quellen des deutschen Expressionismus nach. Vielleicht ist der Titel „Im Farbenrausch“ etwas blöd, aber überzeugend thematisiert die Ausstellung die damals tragende Rolle der Farbe, die mit einer Auflösung der Form einherging.
An die Stelle realistischer Genauigkeit trat gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Frankreich aus die Intensität der Wahrnehmung, gewannen Lichtphänomene an Bedeutung. Hiervon ließen sich später die deutschen Expressionisten mit den Künstlervereinigungen „Brücke“ und „Blauer Reiter“ und den Künstlerfreundschaften in München und Murnau anregen und entwickelten eigene Vorgehensweisen. Die Ausstellung in Essen macht die „Überväter“ aus und differenziert die Positionen. Damit macht sie im Grunde das, was genau vor 100 Jahren eine Ausstellung in Köln mit der damals topmodernen Kunst unternahm, die nun im dortigen Wallraf-Richartz-Museum in Ausschnitten rekonstruiert wird. Die Sonderbund-Ausstellung von 1912 lieferte einen Einblick in die neuesten Tendenzen und betonte die Vorreiterrolle von Künstlern wie Cézanne, van Gogh und Munch (die jetzt ebenso in Essen vertreten sind). Aber die Sonderbund-Ausstellung, die von der damaligen Kritik zerrissen wurde, erwies sich noch in anderer Hinsicht als vorausschauend: Sie brach mit der konventionellen Präsentation und machte aus der Ausstellung ein Event. Im Wallraf-Richartz-Museum gerät das jetzt alles – im Vergleich zu Hagen und Essen – leider etwas knapp. Zusammen bilden die drei Ausstellungen eine grandiose Einheit.
„1912 – Mission Moderne“ | bis 30.12. | Wallraf-Richartz-Museum in Köln | www.wallraf.museum.de
„Im Farbenrausch“ | bis 13.1. | Museum Folkwang in Essen | www.museum-folkwang.de
„Der Folkwang Impuls“ | bis 13.1. | Osthaus Museum Hagen | www.osthausmuseum.de
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