Was kennzeichnet die junge, aber schon etablierte Künstlergeneration, für die in den 1980er Jahren die grundlegende Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Systeme hin zur Globalisierung prägend war? Werden von ihr nicht die vorherigen Strategien der Ironisierung und der subversiven Vereinnahmung der Gesellschaft durch eine substanzielle, darin ernsthafte Hinwendung zum „Eigentlichen“ mit dem großen Entwurf der Existenz ersetzt? Solchen und ähnlichen Überlegungen geht derzeit eine Ausstellung im Museum Morsbroich in Leverkusen nach, die – in unvermeidlich subjektiver Auswahl – dreißig jüngere Positionen zur Kunst im Rheinland vorstellt. Zu den Eingeladenen gehören so bekannte Künstler wie Alexandra Bircken, Gregor Schneider, Gert und Uwe Tobias und Cornelius Quabeck.
Es gab in letzter Zeit häufiger Gelegenheit, die Malereien von Cornelius Quabeck zu sehen, auf Einzelausstellungen bei seinen Galerien Christian Nagel in Köln und Horst Schuler in Düsseldorf und zuletzt in der Fuhrwerkswaage in Sürth. Ab 19. Februar ist er außerdem in der Ausstellung „Der Menschen Klee“ im KIT in Düsseldorf vertreten. Schon seit Januar aber läuft seine Einzelausstellung in der artothek, für die er einen eigenen Ansatz gewählt hat. Quabeck stellt in linearer Hängung, gerahmt hinter Glas, klein- bis mittelformatige Papierarbeiten von 1998 bis 2010 aus, die über ihre Bildhaftigkeit und Erzählung hinaus so etwas wie ein Archiv der Motive und Themen seiner „eigentlichen“ Malerei ergeben. Quabeck, der 1974 in Wuppertal geboren wurde und an der Düsseldorfer Akademie studiert hat, zeigt in seiner Malerei auf Leinwand sozusagen Portraits, meist in Vereinzelung und zentriert im Bildgeschehen. Dazu gehören auch Tiere – exotische ebenso wie fiktive – , weiterhin Serien mit Rockmusikern, Skatern, schemenhaften Figuren. Daneben hat er Gesten fokussiert, bei denen die Menschen selbst angeschnitten sind und zeitgenössische faktische Ärgernisse umschrieben werden. Eingebunden ist das Figürliche in eine Malerei, die, wechselnd in ihren Mitteln und im Vortrag, experimentell bleibt und dabei vital und energisch auftritt: Malerei wird zur stofflichen Behauptung, die zwischen Nähe und Distanz, Dokumentation und freier Erzählung oszilliert. Karger sind natürlich die Zeichnungen, die fast ganz auf Farbe verzichten, dafür eine immense Schärfe besitzen – sie legen frei, wie sehr es Cornelius Quabeck um gegenwärtige Erfahrungen biographischer und gesellschaftlicher Art geht.
Verfügbarkeit der bildnerischen Medien
Einen anderen Umgang mit Malerei praktiziert die in New York lebende Kerstin Brätsch, die, etwas jünger als Quabeck, in Berlin beim Konzeptkünstler Lothar Baumgarten studiert hat. Schon das, ihre Bilder entstehen nicht auf Leinwand, sondern auf Papier und Folie. Brätsch kombiniert, zitiert – besonders die jüngere, aber schon arrivierte Kunst – und erfindet dabei die Malerei neu als Display heutiger Zeit. Sie arbeitet in Serie und gegen Serie (etwa indem die einzelnen Bilder nicht herauszunehmen sind und installativ präsentiert werden), weiterhin: mit Autorschaft und gegen Autorschaft. So hat sie gemeinsam mit Adele Röder in New York DAS INSTITUT gegründet, das noch die Orientierung an den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten aufgreift. Ihre Werke erinnern in ihrer ornamentalen Pracht mitunter an Corporate Design. Entsprechend greift sie auf die unterschiedlichen Gattungen zu, arbeitet mit der Projektion des eigenen Portraitfotos, entwirft mit DAS INSTITUT eine Modekollektion über und hält sich auch weiterhin alle bildnerischen Medien offen, wobei sie die Bildproduktion selbst thematisiert. Die Malerei muss man mitunter also erst aufspüren, aber dann ist sie souverän da.
Ebenso wie Cornelius Quabeck befindet sich Kerstin Brätsch auf einem Level, wo auf die freien Kunsträume nun die institutionellen Ausstellungshäuser folgen. Bei ihr ist dies der Kölnische Kunstverein. Dort hat übrigens vor einem dreiviertel Jahr Alexandra Bircken ausgestellt, die als Modedesignerin zur Skulptur gefunden hat. Hier wie da sind also auch die klassischen Medien gültig und überaus tauglich, um Phänomene der Gegenwart aufzunehmen und zeitgenössische Anliegen zu formulieren.
Cornelius Quabeck – „Paperplan“ I bis 19.2. in der artothek I www.museenkoeln.de
Kerstin Brätsch und DAS INSTITUT – „Nichts, Nichts!“ I 5.2.-20.3. im Kölnischen Kunstverein I www.koelnischerkunstverein.de
„Neues Rheinland – Die postironische Generation“ I bis 13.2. im Museum Morsbroich, Leverkusen I www.museum-morsbroich.de
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