Was ist das Tageslicht? Es ist nicht zu fassen und, ausgesendet von der Sonne, ständig in Veränderung – für Johanna von Monkiewitsch ist es Werkzeug, visuelles Phänomen, Scheinwerfer zur Verdeutlichung und Träger weiterer, philosophischer Gedanken. Natürlich ist die Idee großartig, ihre Werke in der Kunst-Station Sankt Peter zu zeigen. Kirchen sind die Kathedralen des Lichts, in denen der gleißende Schein durch die Glasfenster fällt, im Laufe des Tages durch die Halle „wandert“ und im Wechselspiel mit der Verschattung auf der Fläche, auf der es auftrifft, Formen annimmt und verzieht. Licht ist hier auch spirituell begriffen, zumal im Kontrast zur Dunkelheit, die es wie ein Schacht durchschneidet.
Johanna von Monkiewitsch erforscht die unterschiedlichen Dimensionen von Licht und macht es sichtbar. Dazu passt, dass sie 1979 im Süden, in Rom geboren wurde und sich 2016 mit einem Stipendium in Venedig aufgehalten hat, von wo sie das Tageslicht, das sie an einer Wand im Palazzo Ducale gefilmt hat, als Video mit nach Hause nach Köln gebracht hat. Im Studium an der Kunstakademie Braunschweig hat sie noch davor die Bewegung des Tageslichts, das von oben in das Atelier gefallen ist, mit weißen Kreidestrichen auf dem Boden fixiert. Festgehalten als Fotografie mit dem Titel „26.06.2005 / 12:45-13:20“, komplettierten sich die Linien zur Sinnestäuschung von in sich stufig verschobenen Kuben: von minimalistischem Körper und Masse. 2018 hat sie in eine 240 cm hohe MDF-Platte mit einer abschließenden rechtwinkligen Leiste deren horizontalen Schatten, der sich infolge der Beleuchtung direkt darunter bildete, mit Pigmentfarbe als Trompe l’oeil über- und nachgemalt. Diese Skulptur ist derzeit im Kunstmuseum Bonn in der Ausstellung „From Dawn Till Dusk“ zu sehen. Dort begegnen sich also die Simulation eines realen Schattens und der reale Schatten dahinter, der im Lehnen auf die Wand geworfen ist.
In der Ausstellung in Sankt Peter nun erinnert ein lehnender aufgerichteter Block aus Schaumstoff daran. Aber doch arbeitet die Künstlerin bei dieser Installation aus mehreren, dezentral platzierten Schaumstoffteilen nach anderen Prinzipien: Nun treffen zwei bewegliche Lichtflächen aufeinander, eine ist das Tageslicht und eine stammt von Projektoren, die Tageslicht, das an einem anderen Ort aufgenommen wurde, auf dem Schaumstoff zeigen. Von Monkiewitsch berichtet, wie wichtig ihr dieses industriell gefertigte Material ist, in seiner Dichte und im Weichen, das an Wärme und das Schlafen im Bett erinnert, leicht durchhängt und mitunter wie Marmor aussieht. Dann kann man beobachten, wie das Licht in seiner Veränderung die Materie, auf der es sichtbar wird, befragt und seinerseits zu Form wird. Dass es flimmert wie im Sand der Wüste oder unruhig flackert (und tatsächlich von der Spiegelung einer Wasserfläche genommen ist). Wenn wir uns dazwischen schieben, können wir unseren Schatten als Silhouette sehen. Die Genialität des Lichts zwischen Anwesenheit und Abwesenheit, Schärfe und Unschärfe, Fläche und Raum ist Thema und auslösendes Moment dieser Kunst: hochkomplex und doch ganz einfach, sinnlich und berauschend.
Johanna von Monkiewitsch: Embodies | bis 9.11. | Kunst-Station Sankt Peter Köln | 0221 921 30 30
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