Anfang Dezember trafen sich im Forum der Volkshochschule rund 120 Vertreter:innen aus den Bereichen Kunst, Verwaltung und Politik zur 1. Kölner Kulturkonferenz. choices sprach mit den Initiatoren Bettina Fischer vom Literaturhaus und dem Kulturratsvorsitzenden Hermann Hollmann.
choices: Frau Fischer, Herr Hollmann, wie schätzen Sie das Image Kölns als internationale Kunst- und Kulturstadt ein?
Hermann Hollmann (HH): Ich bin immer wieder überrascht, dass die Außen- besser als die Binnenperspektive ist. Köln verfügt über eine hohe Anziehungskraft. Die Innenansicht ist zu negativ. Die wird vor allem durch die Pannen bei den Bauten bestimmt und verzerrt das überwiegend gute Bild.
Bettina Fischer (BF): Wir nehmen ganz klar eine Ausweitung der Literaturszene wahr. Es bestehen hier viele Möglichkeiten, etwa an der Kunsthochschule für Medien oder der Uni. Früher sind viele Leute dafür nach Berlin gegangen.
Welche Ziele verfolgt dann die Kölner Kulturkonferenz?
HH: Wir waren uns einig, dass es im Zuge der Coronapause und der Ukrainekrise dringend geboten ist, einen Überblick über die Brandherde, etwa die steigenden Energiekosten oder das Wegbleiben des Publikums, zu schaffen.
BF: Ein Fokus richtete sich auch auf die Raumproblematik für Veranstaltungen der freien Szene.
Welche Gäste konnten Sie dazu begrüßen?
HH: Unter anderem Bürgermeisterin Brigitta von Bülow, unseren Kulturdezernenten Stefan Charles und Stefan Bachmann, den Intendanten des Kölner Schauspielhauses, der sich zur Weiternutzung des Depots in Mülheim äußerte. Die Frage war, wie das städtische Schauspiel mit der freien Szene kooperieren kann. Ich möchte ferner Aron Schmidt nennen, der viel Energie in die Ticketing-Plattform „Qultor“ investiert, und nun ein Model für Ressourcensharing entwickelt. Eine andere Initiative kam aus der Bau-Industrie, die Räume zu sehr günstigen Konditionen zur Zwischennutzung bereitstellen möchte.
BF: Dabei waren auch Vertreter:innen von Kulturraum 405, die ein Kulturwohnzimmer mit wechselnden Angeboten betreiben. Wichtig war die Teilnahme von Benjamin Thele von der Stabsstelle Kulturraummanagement im Kulturdezernat der Stadt Köln.
Sie sprechen von Brandherden. Wo lodern die Flammen am stärksten?
BF: Wir leben in einer Zeit der sich überlagernden Krisen. Das führt zu einer starken Verunsicherung und einem Nachlassen des Besucherzuspruchs an etlichen Orten.
HH: Teile des Publikums haben sich durch die vielen Streaming-Angebote in einer gewissen Bequemlichkeit eingerichtet. Es ist zu einem heftigen Rückgang von Abos gekommen. Die Veranstalter:innen wissen wenige Tage vor dem Event oftmals nicht, wie viele Leute kommen.
BF: Bequemlichkeit mag einer der Gründe sein, der andere ist die Sorge, dass man kurz vor dem Termin erkrankt und deshalb lieber spontan ein Ticket kauft. Aber Planbarkeit ist ein wichtiger Faktor für alle Kulturbetriebe.
Welches Resümee ziehen Sie denn aus der Konferenz?
BF: Ich fand es sehr interessant, denn der Blick über den lokalen Tellerrand ist signifikant. Eine wichtige Botschaft ist die Notwendigkeit zur Vernetzung und Solidarisierung der freien Szene in einem viel stärkeren Ausmaß.
HH: Als Vertreter des Kulturrats war es für mich ein fruchtbarer Austausch mit den Akteur:innen und damit ein erheblicher Informationsgewinn. Man erwartet von uns, dass wir Handlungsempfehlungen – ich vermeide bewusst „Forderungen“ – an Politik und Stadtverwaltung richten.
Welche Hürden stehen der Kölner Kulturszene dabei im Weg?
HH: Da spielt sicher die Verwaltung eine Rolle. Dennoch möchte ich nicht den Ton einer allgemeinen Verwaltungsbeschimpfung anschlagen. Während unseres Treffens bemerkte man den Unterschied zwischen den Berichten aus anderen Kommunen und den Perspektiven aus Köln. Es kam klar zum Ausdruck, dass die Kommunikation mit den dortigen Verwaltungen unbürokratischer ist als hier. Damit sind nicht so sehr die Bereiche des Kulturamts, sondern die der anderen Ämter gemeint, also Liegenschafts-, Bau-, Ordnungs- oder Umweltamt.
Wie bewerten Sie die Überlegungen betreffend ein 9 Euro-Kulturticket für junge Menschen oder das Modell „Pay what you want“, bei dem potenzielle Besucher:innen den Eintritt selbst wählen können?
BF: Ich finde es gut, jungen Menschen Anreize zu geben, sich mit allen Bereichen von Kultur zu befassen. Aber für uns ist das auch eine Frage, ob wir dafür Freikarten zur Verfügung stellen sollen. Indem man signalisiert, dass die Veranstaltungen nichts oder fast nichts kosten, sendet man das falsche Signal. Man muss absolut klar machen, dass hinter den Kulturofferten Menschen stehen, die ein Einkommen generieren müssen. Mit Freikarten funktioniert das nicht.
HH: Es stellt sich sofort die Frage der Kompensation. Kultur muss honoriert werden. Einmal im Monat umsonst ins Museum gehen zu können, ist wunderbar. Das können die öffentlichen Hände vertragen. Wenn man darauf Appetit macht, kann daraus leicht eine Selbstverständlichkeit entstehen, die kontraproduktiv ist.
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