Still Alice - Mein Leben ohne Gestern
USA, Frankreich 2014, Laufzeit: 101 Min., FSK 0
Regie: Richard Glatzer, Wash Westmoreland
Darsteller: Julianne Moore, Alec Baldwin, Kristen Stewart, Kate Bosworth
>> stillalice.de
Bewegendes Alzheimer-Drama
Als würde sich ein Abgrund auftun
„Still Alice“ von Richard Glatzer und Wash Westmoreland
In den letzten Jahren setzen sich Fernsehen und Kino verstärkt mit dem Thema Alzheimer auseinander. Sei es dokumentarisch, wie in „Vergiss mein nicht“ von David Sieveking, der darin den Krankheitsverlauf seiner Mutter mit der Kamera begleitet. Vor allem aber im Spielfilm, sei es im deutschen Drama, wo bereits 2003 Götz George („Mein Vater“) und erst kürzlich Dieter Hallervorden Opfer der Krankheit verkörperten. Auf internationaler Leinwand zeichneten bereits Judi Dench („Iris“) und Julie Christie („An ihrer Seite“) den tragischen Verlust der Erinnerung nach. Nun gesellt sich Julianne Moore („Magnolia“, „The Kids Are All Right“) dazu.
Moore spielt die 50-jährige Alice, eine Linguistik-Professorin, die mit ihrem Mann John (Alec Baldwin) in Los Angeles lebt. Das Paar hat drei Kinder. Zwei von ihnen, Anna (Kate Bosworth) und Tom (Hunter Parrish), klettern bereits fleißig im Sinne der Eltern die Karriereleiter hinauf. Die jüngste Tochter hingegen, Lydia (Kristen Stewart), versucht sich als Schauspielerin auf einer unabhängigen Bühne. Das ist der Mutter nicht solide genug, die beiden geraten darüber regelmäßig aneinander. Doch dann hat Alice beim Vortrag an der Universität Blackouts, sie verliert beim Joggen die Orientierung und wirkt verwirrt beim Familientreffen. Der Arzt diagnostiziert frühmanifestierten Alzheimer. Eine seltene Form der Erkrankung, die darüber hinaus vererbbar ist. Für Alice bricht buchstäblich die Welt zusammen.
Til Schweigers „Honig im Kopf“ lief gerade erst erfolgreich in den Kinos. „Still Alice“ zeigt, wie man das Thema weniger schablonenhaft, ungleich alltäglicher und damit bis in den Schmerz aufrichtiger erzählen kann. Dem Regiegespann Richard Glatzer und Wash Westmoreland gelingt eine sanfte, schleichend schmerzhafte Annäherung. Die Inszenierung ist zurückgenommen, die Musik begleitet die Bilder zurückhaltend zärtlich oder über Strecken gar nicht, die Kamera konzentriert sich auf Alice. Darauf, wie sie anfangs die Symptome verschweigt und heimlich den Arzt aufsucht, wie sie sich später ihrem Gatten anvertraut, wie sie ihren Alltag, der geprägt ist von zunehmendem Verfall, immer wieder neu organisiert. Die Filmemacher wissen, dass sie ihr Thema nicht allumfassend behandeln können. Man erfährt wenig davon, was im Kopf des Ehemanns vorgeht, Tom und Anna sind auf Karriere-Stereotypen reduziert. Dies entspricht jedoch keiner Verfehlung, sondern einer bewussten Reduktion. Die Konzentration auf das Verhältnis von Alice zu ihrem Sorgenkind Lydia, die sich als das Familienmitglied entpuppt, das der Mutter am nächsten steht. Glatzer und Westmoreland gelingt so eine Verdichtung, die sich nicht mit Details und Zeitangaben aufhält, sondern den Fortschritt der Krankheit im großartigen Spiel Julianne Moores nachvollzieht. „Still Alice“ ist eine zärtliche Reflektion, die zu Tränen rührt, ohne dazu auf Formeln zugreifen zu müssen. Das gelingt allein durch die Geschichte, die Unmittelbarkeit und durch das Format seiner Darsteller.
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