
Quiet Life
Frankreich, Griechenland, Estland, Schweden, Deutschland, Finnland 2024, Laufzeit: 99 Min., FSK 12
Regie: Alexandros Avranas
Darsteller: Chulpan Khamatova, Grigoriy Dobrygin, Naomi Lamp
>> www.wildbunch-germany.de/movie/quiet-life
Satire auf den Abgesang der Empathie
Keep Smiling!
„Quiet Life“ von Alexandros Avranas
Wenn uns sonst niemand mehr schützt vor unseren Ängsten und unseren traumatischen Erlebnissen, wenn man uns Sicherheit und Geborgenheit verwehrt, dann kann uns nur noch der eigene Körper schützen, indem er uns in die Ohnmacht, die Apathie entlässt: Seit bereits über zwei Jahrzehnten werden bei vielen Flüchtlingskindern beobachtet, wie sie reglos im Bett liegen, nicht ansprechbar sind und keine Nahrung mehr aufnehmen. Diese radikale Form der Wirklichkeitsflucht wird als „Resignationssymptom“ bezeichnet. Der griechische Regisseur Alexandros Avranas spinnt daraus eine gelungene, treffliche Satire.
Das russische Ehepaar Sergei (Grigory Dobrygin) und Natalia (Chulpan Khamatova) flieht mit den zwei Töchtern Katja und Alina nach Schweden. Sergei trägt eine große Narbe am Bauch, er wurde in seiner Heimat im Beisein von Katja von Polizisten attackiert. Der Asylantrag läuft, die Kinder gehen zur Schule. Regelmäßig wird die Familie in ihrer Übergangswohnung von Beamten aufgesucht und kontrolliert. Dann kommt der Tag der Entscheidung: Der Asylantrag wird aus Mangel an Beweisen abgelehnt. Kurz darauf klappt Katja auf dem Schulhof zusammen und wacht nicht wieder auf.
Was nun folgt, mag satirisch überspitzt sein. Aber wie jede Satire, beruht es auf realen Zuständen. Und was uns Avranas hier auftischt, ist irrwitzig absurd, im Kern aber schmerzhaft bitter: Kinder, die dem Resignationssyndrom erliegen, werden von den Eltern getrennt, um sie vor Ängsten und Sorgen zu schützen. Die Eltern werden währenddessen zuerst daraufhin untersucht, ob sie das Kind manipuliert oder vergiftet haben. Anschließend werden sie zur Teilnahme an einem Kurs verdonnert, in dem ihnen von einer falsch grienenden Therapeutin zwanghaft eingebläut wird zu lächeln. Ab jetzt wird gelacht, wenn man sein Kind sehen will, und Themen wie Asyl, Ängste und Vergangenheit sind tabu.
Ein dystopischer Albtraum, in dem die jüngere griechische Schule allgegenwärtig ist. Das soziale Wesen Mensch ist entmenschlicht. Von staatlicher Seite sowieso, zugleich aber auch in der Folge auf der Seite der Opfer, wenn diese aus der grausamen Not heraus ihresgleichen moralische Grenzen übertreten. Empathie wird verdammt, Humanismus verdonnert, der Mensch stumpft ab. „Quiet Life“ ist hochbrisant.
Alexandros Avranas tut gut daran, seinen Plot nicht zu überfrachten und sein Thema stattdessen treffsicher auf den Punkt zu bringen. Er bedient sich dessen, was ist. Der satirische Anteil ist vergleichsweise gering. Und das ist das tatsächlich Erschreckende. Der Horrorfilm „Smile“ und seine Fortsetzung gruseln mit einem Lächeln, das nicht dorthin gehört, wo es passiert. Ein irritierendes Lächeln war bereits Thema in Avranas‘ „Miss Violence“, mit dem er 2013 in Venedig den Silbernen Löwen gewann. In seinem neuen Drama wird das Lächeln nur noch grausam synthetisch generiert. Pure Maskerade einer Gesellschaft, die keine Mitmenschlichkeit, keine Herzlichkeit, keine Empathie mehr zulässt. Die Lachen nur noch behauptet, antrainiert, um die hübsche Blase aufrechtzuerhalten. Lachen als Illusion. Als Farce.
„Quiet Life“ ist grausam. Gut, dass wir darüber auch lachen können, sonst wäre es nicht auszuhalten. Der Verdienst der Satire.

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