Menschliche Dinge
Frankreich 2021, Laufzeit: 139 Min., FSK 12
Regie: Yvan Attal
Darsteller: Charlotte Gainsbourg, Mathieu Kassovitz, Pierre Arditi
>> www.mfa-film.de/kino/id/menschliche-dinge/
Facettenreiche Gesellschaftsstudie
Aussage gegen Aussage
„Menschliche Dinge” von Yvan Attal
Die „Me, Too“-Debatte hat nach vielen Jahrzehnten endlich ans Licht gebracht, was bislang im Dunkeln ablief und die Opfer aufs Tiefste demütigte, verletzte und in tiefe Krisen stürzte. Es ist wichtig und richtig, dass den einstmals fest etablierten, oftmals von heterosexuellen alten weißen Männern ausgeübten Formen des Machtmissbrauchs ein Ende bereitet wird und die Schuldigen benannt werden. Nicht immer liegen die Dinge allerdings so klar auf der Hand, dass nur eine Interpretation der Ereignisse möglich ist. Schließlich waren in der Regel nur zwei Personen bei den sexuellen Übergriffen zugegen, und vor Gericht stehen sich dann zumeist Aussage gegen Aussage gegenüber. Auch gibt es seit der Debatte mittlerweile Frauen, die diese für sich ausnutzen und Männer aus Rache, verschmähter Liebe oder anderen Gründen für Taten bezichtigen, die diese gar nicht begangen haben. Eine zweischneidige Sache, der sich die französische Erfolgsschriftstellerin Karine Tuil in ihrem erstmals 2019 erschienenen Roman „Menschliche Dinge“ angenommen hat, den Yvan Attal („Die brillante Mademoiselle Neïla“) nun für die große Leinwand adaptierte.
Alexandre (Ben Attal, der Sohn des Regisseurs) studiert in den USA und ist kurz zu Besuch bei seinen getrennt lebenden Eltern in Paris. Seine Mutter Claire (Charlotte Gainsbourg) lebt nun mit Adam (Mathieu Kassovitz) zusammen, mit dessen Tochter Mila (Suzanne Jouannet) Alexandre auf eine Party geht. Danach zeigt Mila Alexandre bei der Polizei an, sie vergewaltigt zu haben. Der junge Mann ist perplex, vertritt auch bei den Verhören die Ansicht, dass Mila den Sex mit ihm ebenfalls gewollt habe und er keine Zeichen erkannt habe, dass er zu weit geht. Es beginnt ein zermürbender Prozess mit großem Medienecho, denn Claire ist eine bekannte Essayistin und Alexandres Vater Jean (Pierre Arditi) ein prominenter Fernsehmoderator. Geschickt hat Yvan Attal die vertrackte Geschichte in bewegte Bilder transferiert. Zunächst setzt er den Fokus auf Alexandre, dann auf Mila, um deren beider Versionen schließlich während der Prozesstage zusammenzuführen. Dabei geht der Filmemacher äußerst subtil vor, weckt beim Zuschauer zunächst für beide Protagonisten Sympathien, so dass man alsbald hin- und hergerissen ist zwischen den beiden sich widersprechenden Aussagen. Wem kann man trauen, wer sagt die Wahrheit, wer lügt – oder ist das, was vorgefallen ist, individuell interpretierbar? Die Thematik von „Menschliche Dinge“ ist brandaktuell, und gerade weil es hier nicht um das berufliche Machtgefälle zwischen Menschen geht, sondern zwei junge Menschen im Mittelpunkt stehen, die gerade erst ihr eigene Sexualität entdeckt haben, erhält die Geschichte noch einmal ganz neue, hoch-interessante Aspekte. Yvan Attal nimmt sämtliche Beteiligte ernst und fesselt sein Publikum insbesondere bei den brillanten Wortgefechten vor Gericht, die zum Nachdenken anregen und dem Film ein spannendes Finale bescheren.
(Frank Brenner)
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