Manchester by the Sea
USA 2016, Laufzeit: 139 Min., FSK 12
Regie: Kenneth Lonergan
Darsteller: Casey Affleck, Michelle Williams, Kyle Chandler, Lucas Hedges
>> www.manchester-by-the-sea.de/
Berührender Oscar-Favorit mit prominenter Besetzung
Familienbande
„Manchester by the Sea“ von Kenneth Lonergan
„Mich interessieren Geschichten über Menschen, die einander lieben“, sagt Autor und Regisseur Kenneth Lonergan über seinen neusten Film „Manchester by the Sea“. Und fügt hinzu: „Ich mag diese Lüge nicht, die viele Filme erzählen, alles werde wieder gut. Warum kann es nicht mal einen Film über jemanden geben, der sich nicht von einem Schicksalsschlag erholt?“ Besonders diesen letzten Satz sollte man sich merken, denn er setzt den Ton für das berührende Familiendrama „Manchester by the Sea“.
Im Mittelpunkt steht Casey Affleck als Lee Chandler, ein wortkarger Einzelgänger und Hausmeister in einem Bostoner Vorort. Als man ihn zum ersten Mal begegnet, schaufelt er Schnee in einer Einfahrt. Es ist Winter an der amerikanischen Ostküste, eiskalt und glasklar, prägend für die Atmosphäre des Films. Lee Chandler ist die Art von Einzelgänger, der blind ist für die Annäherungsversuche seiner Nachbarin. Aber wehe, in der Kneipe schaut ihn einer zu lange an. Man muss kein Psychologe sein, um zu merken, dass es unter der Oberfläche brodelt.
Das Trauma offenbart sich im Verlauf des Films aber nur langsam, in unangekündigten, aber wohl platzierten Rückblenden. Die erste davon zeigt Lee zusammen mit seinem Bruder Joe (Kyle Chandler) und dessen Sohn während eines Bootsausflugs, anschließend zuhause bei seiner Frau (Michelle Williams) und seinen eigenen drei Töchtern. Es gab offensichtlich eine Zeit vor seinem Einsiedlertum. Eben dieser Bruder wurde nun mit einem Herzfehler in ein Krankenhaus eingeliefert und Lee muss in seinen Heimatort, das titelgebende Manchester by the Sea, zurückkehren. Ein Ort, dem er offenbar vor langer Zeit den Rücken gekehrt hat, dessen Bewohner ihn aber nicht vergessen haben: „Ist das Lee Chandler?“, tuschelt man auf der Straße. „Der Lee Chandler?“ Als Lee im Krankenhaus ankommt, ist sein Bruder bereits tot und er wird mit der Aufsicht seines Neffen Patrick (Lucas Hedges) betraut. Ein Arrangement, über das beide nicht glücklich sind. Lee würde Patrick am liebsten mit nach Boston nehmen, doch diese Auseinandersetzung verliert er an seinen Neffen: „Ich habe zwei Freundinnen und eine Band. Du bist Hausmeister.“ Die Onkel-Neffe-Beziehung ist das Herzstück des Films. Sie fördert langsam die Vergangenheit ans Tageslicht, ein tragischer Unfall, für den Lee die alleinige Schuld trägt, aber sie sorgt auch für ein wenig Leichtigkeit. Etwa, wenn Patrick versucht, seinen Onkel mit der Mutter einer seiner Freundinnen zu verkuppeln: „Das wäre für uns beide gut.“
Kenneth Lonergan hat solche Momente bewusst gewählt. Denn noch nie habe er einen guten Film gesehen, der ohne Humor auskommt, wie er im Interview erklärt. „Manchester by the Sea“ ist zweifellos ein eben solcher, guter Film. Eines der ersten Highlights des neuen Kinojahres, dessen US-Rechte den Amazon Studios immerhin zehn Millionen Dollar wert waren. Mal sehen, wie viele Oscars es werden.
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