Judy
Großbritannien 2019, Laufzeit: 118 Min., FSK 0
Regie: Rupert Goold
Darsteller: Renée Zellweger, Jessie Buckley, Finn Wittrock
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Biopic über die letzten Monate von Judy Garland
Sehnsuchtsland
„Judy“ von Rupert Goold
Wer im Rampenlicht steht, ist gut sichtbar. Doch ein Scheinwerfer wirft auch Schatten. Dass Licht und Schatten zum Ruhm der Kunstschaffenden gehören, merkt man den Werken nicht immer an. Es gibt Kunst, der ist die Seelenpein der kreativen Person deutlich eingeschrieben, mitunter genau deshalb große Kunst. Es gibt auch Werke – das gilt vor allem für kulturindustriell entstandene Kunst – die verströmen Leichtigkeit und Glanz, obwohl die dahinter stehende Person durch ein tiefes Tal schreitet. So war es auch bei der Schauspielerin und Sängerin Judy Garland. 1922 geboren, wurde sie als Tochter eines Kinobesitzers in den Vorstellungspausen schon mit zwei Jahren auf die Bühne gestellt. Ein frühes Beispiel für Kindesmissbrauch in der Kulturbranche. Bald zieht die Familie in der Hoffnung auf eine Filmkarriere nach Kalifornien, 1932 direkt nach Hollywood. Schon 1929, als Siebenjährige, hat Garland ihren ersten Filmauftritt, doch erst mit den MGM-Filmen „Broadway Melody“ (1938) und „Der Zauberer von Oz“ (1939) gelingt ihr der Durchbruch. Da ist sie siebzehn Jahre alt, gut zehn Jahre später ist ihre Filmkarriere so gut wie beendet. Ihr Ruf als schwierige Persönlichkeit hat sich gegen sie wendet. Hintergrund ist der Jahrelange Tabletten- und Drogenmissbrauch, mit dem sie versuchte, dem andauernden Stress bei den Dreharbeiten standzuhalten.
In den suggestiven Rückblenden des Biopics „Judy“ wird der Teeniestar geradezu zum Tablettenkonsum genötigt. Der Kern des Films ist jedoch in den späten 60er Jahren angesiedelt, als Garland, nachdem sie die Filmkarriere durch eine sehr erfolgreiche Gesangskarriere eingetauscht hat, doch wieder von ihren psychischen Problemen heimgesucht wird. Mit ihren zwei jüngsten Kindern in Hotels unterwegs, droht ihr Ex-Mann, der Produzent Sidney Luft, das Sorgerecht für die Kinder einzuklagen. Um finanziell wieder stabil dazustehen und für ihre Kinder sorgen zu können, nimmt sie ein Angebot aus London an. Dafür muss sie sich zunächst zumindest temporär von ihren Kindern trennen. Das wirft sie abermals aus der Bahn...
Renée Zellweger („Bridget Jones“), die auch alle Songs im Film singt, wird für ihre Darstellung der Judy Garland derzeit als Oscar-Favorit gehandelt. Die Zerrissenheit zwischen liebenswürdiger Mutter, Frau und Freundin und einem unberechenbaren, von Drogen zerrütteten Nervenbündel zwischen Arroganz und Selbstzweifel, balanciert Zellweger so aus, dass beide Seiten des Stars nebeneinander stehen können, ohne dass man sie nur als Opfer oder nur als Täter sieht, wenn sie ihr Umfeld beschimpft, eine Show platzen lässt oder sich mal wieder kurz in eine Märchenfantasie flüchtet.
Die gescheiterten Fluchtversuche zeigen sich auch in ihren vielen Ehen. Dass Garland für andere dennoch ein Glücksversprechen verkörperte, lag sicher nicht daran, dass sie selber ein glückliches Leben führte – im Gegenteil. Das zeigt der Film in einer fiktiven Szene um ein älteres schwules Paar, das jeden Abend Garlands Londoner Show besucht und anschließend am Bühnenausgang wartet. An einem Abend begleitet Garland die beiden Männer einfach nach Hause und erfährt von ihrem Leid in einer Gesellschaft, die sie nicht akzeptiert. Garlands Signature-Song „Over the Rainbow“ aus „Der Zauberer von Oz“ fungierte für viele Ausgegrenzte als Glücksversprechen, so wurde sie auch früh zur Ikone der Gay-Community. Schon auf ihrer Beerdigung mit über 20.000 Trauernden in New York waren erste Regenbogen-Flaggen zu sehen, in der Nacht wandelte sich bei einer brutalen Razzia in der Christopher Street die Trauer in Wut. Der Rest ist Geschichte.
Die Sehnsucht auf ein gutes, selbstbestimmtes Leben blieb für Garland, die mit 47 Jahren an einer Überdosis Tabletten starb, unerfüllt. Die Rückblenden in ihre Jugend zeigen anders als die großartigen Szenen hinter und auf der Bühne im London des Jahres 1969, wo sich Garland vor allem selber im Weg steht, ein Hollywood des Machtmissbrauchs, der Manipulation und der fiesen alten Männer. Hier zeigt der Film auch ungeahnte Anschlussmöglichkeiten an die Gegenwart.
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