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Intimacy

Intimacy
Frankreich 2000, Laufzeit: 119 Min., FSK 16
Regie: Patrice Chéreau
Darsteller: Mark Rylance, Kerry Fox, Timothy Spall, Alistair Galbraith, Philippe Calvario, Marianne Faithfull, Susannah Harker, Rebecca Palmer

Bereits während des Vorspanns erfasst die Kamera hautnah - durch gleitend ineinander geschnittene Bildfragmente verfremdet - die Oberfläche eines Körpers. Ein Mann schläft in einem schäbigen Zimmer, wacht auf, geht zur Haustür, lässt eine Frau ein. Sie kennen sich (man erfährt nicht woher), sprechen kaum miteinander, haben sofort direkten, unverhohlen gezeigten Sex. Diesmal kommt nur der Mann zum Orgasmus. Danach zieht die Frau sich an, verlässt ohne weitere Worte das Haus. Einige Andeutungen in Rückblenden geben Hinweise, dass es hier, irgendwo in London, einmal eine Familie gab. Jetzt ist alles verkommen. Spuren von Trinkgelagen, Unordnung, Schmutz. Beim nächsten Mal dasselbe Ritual. Diesmal kommt auch die Frau zum Höhepunkt. Sie steht sofort auf, geht wieder ohne Abschied. Weitere Informationen folgen. Der Mann ist Barkeeper. Er war verheiratet, Frau und Kinder haben ihn verlassen. Sein Leben ist geprägt von Überdruss und Leere. Er ist von allem und jedem genervt, auch von dem neu angestellten Kellner in der Bar, einem Homosexuellen. Nur an jedem Mittwoch dieser eigenartige Besuch der sexhungrigen Frau, die nicht besonders schön ist. Der Geschlechtsakt ein fast abstoßend liebloser Vollzug. Dann, eines Tages, hält sie den Mittwochstermin nicht ein. Verwirrung, Sehnsucht, Unruhe. Es treibt ihn hinaus, auf die Suche nach dem Objekt der Begierde. Er findet sie in einer Kneipe mit einem Kellertheater. Dort spielt die Frau in einem Tennessee-Williams-Stück, dort trifft er auf ihren Ehemann, einen biederen, treuherzigen Londoner Taxifahrer. Ein Drama bahnt sich an. Am Rande Reaktionen der Freunde, Freundinnen und Bekannten als Reflex auf die unvermeidbare Krise. Die Intimität des seltsamen Paares hat keinen Ort in der Wirklichkeit. Sie bleibt - selbst als der Schleier der Verheimlichung sich hebt - ohne Verständnis bei den Beteiligten und den Zeugen. Einzig der schwule Arbeitskollege äußert sich und bezieht Stellung. Woraus sich diese sexuelle Obsession speist, bleibt ungreifbar. Was Patrice Chéreau hier - Texte von Hanif Kureishi adaptierend - versucht, ist die Beschreibung des Charakters einer sexuellen Beziehung in ihrer reinen, fast rohen Form. Doch so nah er auch mit der Kamera an die Gesichter, die Körperteile herangeht, ihr Wesen erschließt sich trotzdem nicht. Sie stellt eine Grenze dar, unüberschreitbar, unfassbar, unwägbar. Hier endet - so die These - alles Reden, alle Vernunft, jeder nach gängigem Maß kalkulierbare Zugang. Intimität gleichsam als transzendentales Phänomen. Eine Einsicht, die in heftigem Widerspruch zu sein scheint zur direkten, fast schmutzigen Darstellung der Sexualität. Hierzu gehört Mut. Denn ist es nicht eigenartig, wie trotz aller Offenheit und Transparenz, die heute zum Standard gehört, gerade das Intimste stets noch im Dunkeln verbleibt? Selbst Sexdarstellungen in Pornofilmen und in verlogenen Fernseh-Features trauen sich ans Wesentliche nicht heran, speisen den Zuschauer mit Körperverrenkungen und vorgegaukelten Spielchen ab. Das Nicht-Darstellbare am sexuellen Verhältnis zwischen Mann und Frau bleibt von diesem Firlefanz völlig unberührt. Chéreau, der als Erster bei Wagner-Inszenierungen in Bayreuth den Helden mit nacktem Oberkörper auftreten ließ, hat auch in seinem Film diesen Schritt gewagt und die rein leibliche Dimension versucht, in Bildform zu bringen. Ein aufrichtiges und aufrüttelndes Werk.

(Heinz Holzapfel)

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