Der Staat gegen Fritz Bauer
Deutschland 2015, Laufzeit: 105 Min., FSK 12
Regie: Lars Kraume
Darsteller: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Sebastian Blomberg, Jörg Schüttauf, Lilith Stangenberg, Laura Tonke, Götz Schubert, Cornelia Gröschel, Robert Atzorn
>> www.derstaatgegenfritzbauer.de/
Intensives Nachkriegsdrama
Fremd im eigenen Land
„Der Staat gegen Fritz Bauer“ von Lars Kraume
Setbesuch
Interview mit Regisseur Lars kraume
„Wenn ich mein Dienstzimmer verlasse, betrete ich feindliches Ausland“, hat der jüdische Jurist Fritz Bauer einmal gesagt. Er hat diesen Satz nicht in den späten 20er oder frühen 30er Jahren ausgesprochen, nachdem er zum jüngsten Amtsrichter im Deutschen Reich aufgestiegen war. Er hat ihn in der Nachkriegszeit gesagt. Als 1949 zurückgekehrter deutscher Jude war er vielen Kollegen ein Dorn im Auge. Die hatten nicht nur etwas gegen ‚den Juden‘, sie hatten auch wenig Interesse daran, dass Nazis zur Rechenschaft gezogen werden, hatten viele von ihnen doch selber Karriere im Nationalsozialismus gemacht.
Die Kontinuität der Machtverhältnisse in der Nachkriegszeit reflektiert bereits der Titel von Lars Kraumes Spielfilm. Man kann sich heute nur schwer vorstellen, dass vor dem Beginn der Studentenbewegung Mitte der 60er Jahre der Nationalsozialismus an allen entscheidenden Positionen in Politik und Wirtschaft weiterwirkte. Und das in der Regel mit dem Segen deutscher Demokraten und auch der Besatzungsmächte. Denn längst war ein anderer Feind im Osten Europas viel wichtiger geworden als moralische Fragen zur Vergangenheit deutscher Amtsträger. Diese gespenstische, unausgesprochene Vereinbarung, die auch Bauers berühmtes Zitat spiegelt, vermittelt der Film sehr eindringlich. Lars Kraumes Film durchweht durchgehend eine bedrückende Stimmung: Mit entsättigten Bildern und einer dialoglastigen Handlungsebene konzentriert sich der Film auf den Diskurs, den Bauer im fröhlich-verdrängenden Deutschland – Heimatfilm und Schlager erfüllten ihre Aufgabe vorzüglich – anstoßen wollte. Der im letzten Jahr entstandene Film „Im Labyrinth des Schweigens“ (Deutschlands Beitrag für denn Auslands-Oscar) von Giulio Ricciarelli über das Zustandekommens der Auschwitz-Prozesse spielte den Kontrast zwischen fröhlichem Wirtschaftswunder und historischer Wunde noch viel publikumswirksamer aus als Kraume. In Ricciarellis Film ist Fritz Bauer auch nur eine Nebenfigur, die Hauptrolle spielt ein junger Anwalt. Lars Kraume räumt Bauer hingegen die Hauptrolle des aufrechten Helden ein, die ihm historisch zusteht und weswegen schon Christian Petzold seinen letzten Film „Phoenix“ über das kollektive Trauma im Nachkriegsdeutschland dem standhaften Juristen gewidmet hatte.
Auch „Der Staat gegen Fritz Bauer“ arbeitet mit Konventionen: Ronald Zehrfeld spielt an der Seite des beeindruckenden Burghart Klaußner als Fritz Bauer den jungen, dynamischen Anwalt Karl Angermann. Doch die Konventionen werden gleich wieder unterwandert, denn die fiktive Figur Angermann dient nur dazu, weitere interessante Facetten Bauers ins Licht zu rücken. Und so gelingt Kraume eine Gratwanderung zwischen unterhaltendem Historiendrama und sehr akkurater Geschichtsschreibung, das weder dem Pathos noch der Weichzeichnung verfällt.
Deutsche Filmpreise 2016: Bester Film (Lola in Gold), Beste Regie, Bestes Drehbuch, Beste männliche Nebenrolle, Bestes Szenenbild, Bestes Kostümbild
Filmfestival Locarno 2015: Publikumspreis
„Diese Geschichte ist eine Warnung an das Heute“
Mala Emde über „Die Mittagsfrau“ – Roter Teppich 10/23
Neue afrikanische Jugend
„Coconut Head Generation“ im Filmforum – Foyer 09/23
„Festivals sind extrem wichtig, um Vorurteile abzubauen“
4 Fragen an Sebastian Fischer, Leiter des Afrika Film Festivals Köln – Festival 09/23
Kollektive gegen Missstände
Kurzfilm im Veedel in Köln – Film 09/23
Reifes Regiedebüt
„Sophia, der Tod und ich“ im Odeon – Foyer 09/23
Preiswürdiges Paar
„Tori et Lokita“ gewinnt choices-Publikumspreis der Französischen Filmtage – Festival 09/23
Alte und neue Filmschätze
Das Afrika Film Festival zeigt Filmkunst als Raum für Aktivismus – Festival 09/23
Gegen die Todesstrafe
„Sieben Winter in Teheran“ in den Lichtspielen Kalk – Foyer 09/23
Mit vollen Häusern in den Kinoherbst
Keine Langeweile im Kino dank „Barbenheimer“ – Vorspann 09/23
Das Leben und nichts anderes
Französische Filmtage in Bonn und Köln – Festival 08/23
„Ich fühle mich oft als Außenseiter“
Exklusiv: Teo Yoo über „Past Lives – In einem anderen Leben“ – Roter Teppich 08/23
Faszinierendes historisches Erbe
Internationale Stummfilmtage 2023 in Bonn – Festival 08/23
Streik!
Arbeitsstopp in der Schreibergilde – Vorspann 08/23
Porträt eines großen Künstlers
„Thomas Schütte – Ich bin nicht allein“ im Filmhaus – Foyer 07/23
„Das Leben ist im Doppel einfacher zu meistern“
Burghart Klaußner über „Die Unschärferelation der Liebe“ – Roter Teppich 07/23
Auf nach überall
Urlaubsgefühle im Kino – Vorspann 07/23
Filmpreis mit Geschmäckle
Deutscher Filmpreis vor der überfälligen Reformierung – Vorspann 06/23
Die Kunst der Verdichtung
„Das Lehrerzimmer“ mit Drehbuchautor Johannes Duncker im Weisshaus-Kino - Foyer 05/23
Von kinderlos zu kinderfrei
Sondervorführung „Me Time“ im Odeon Kino
Sozialismus und Sextourismus
Preview: „Vamos a la playa“ in der Filmpalette
Bruch mit arabischen Stereotypen
„Mediterranean Fever“ im Filmhaus – Foyer 05/23
Start der neuen „Filmgeschichten“
„Eins, zwei, drei“ im Filmforum – Foyer 04/23
Genrefizierung
Ausformungen der Filmkategorisierung – Vorspann 05/23
„Bei Schule können wir nicht einfach etwas behaupten“
3 Fragen an Johannes Duncker, Drehbuchautor von „Das Lehrerzimmer“ – Gespräch zum Film 04/23
Bereichernde Begegnungen
„Anne-Sophie Mutter – Vivace“ mit Filmgespräch im Cinenova