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Außer Atem

Außer Atem
Frankreich 1959, Laufzeit: 89 Min.
Regie: Jean-Luc Godard
Darsteller: Jean-Paul Belmondo, Jean Seberg, Van Doude, Liliane David, Claude Mansart, Henri-Jaques Huet

Initialzündung der Nouvelle Vague

Die ratlosen Körper
"Außer Atem" von Jean-Luc Godard

Auf den Champs-Elysées begegnet der Autoknacker Michel Poiccard der amerikanischen Studentin Patricia Franchini. Er verliebt sich in sie, sie wird ihn nach zwei Tagen an die Polizei verraten. Bei der Verhaftung wird Michel von einem Beamten erschossen und meint zu Patricia kurz: „Ich finde dich zum Kotzen". Godards Schwarzweiß-Klassiker, die Initialzündung der Nouvelle Vague, stieß Opas Ausstattungskino endgültig in die Versenkung und wurde speziell in Programm-und Studentenkinos zum Repertoire-Hit. Godard bezeichnete seinen Film vor allem als Reaktion auf ein müde gewordenes Produzentenkino: „Dieser Film reagierte auf alles, was damals in fast pathologischer Manier systematisch verboten war. Eine Großaufnahme macht man nicht mit Weitwinkelobjektiv. Also machten wir es. Eine Fahrt macht man nicht mit der Handkamera. Also machten wir es."

Start in Paris

„Außer Atem" startete am 16.3.1960 mit einem überwältigenden Echo in den vier Pariser Kinos Le Balzac, Helder (später UGC Opéra 1), Scala und Vivienne. Bereits die Nachmittagsvorstellungen waren überlaufen. Das, obwohl der Film während der Dreharbeiten als Fiasko eingestuft wurde. Godard hatte keinen Ton aufgenommen, arbeitete mit Jump Cuts und natürlichem Licht, präsentierte eine viel zu lange Fassung und schnitt eher mathematisch denn dramaturgisch den Film auf 90 Minuten zurecht. Produzent Georges de Beauregard hatte sich ganz auf den Ratschlag von Godards Freunden Truffaut und Chabrol verlassen und befürchtete nach Sichten der Muster das Schlimmste. Ganz anders der junge Belmondo, der dem unglücklichen Godard von der ersten Minute an vertraute und in der Hommage an den amerikanischen Film noir sein bestes gab. Mit einer außergewöhnlichen guten Presse sowie einem modernen Plakatentwurf von Hurel geschah dann das Unmögliche. „A bout de souffle" machte nicht nur Belmondo über Nacht zum Star, sondern auch den bettelarmen Godard. Allein in der ersten Woche verbuchte der Film in den vier Erstaufführungssälen 50.000 Besucher. Maßgeblichen Anteil am Erfolg hatte auch die Intellektuellen-Szene, die den Film von Beginn an in den höchsten Tönen lobte. Jean Cocteau schrieb: „Meine uneingeschränkte Bewunderung für diesen Film. Er ist unerhört gelungen." Der Filmkritiker Maurice Bessy konstatierte: „Seit zwanzig Jahren habe ich keinen Film gesehen, bei dem ich so sicher bin, dass er in zwanzig Jahren ein Klassiker sein wird." "Wohl der einzige Film", so Joseph Kessel, "der echte Jugend zeigt - durch seine Eindringlichkeit, seine Erfindungsgabe und seine Respektlosigkeit." Tatsächlich blieb die zusammen mit Francois Truffaut und Claude Chabrol erarbeitete Produktion einer der wenigen Meilensteine, die nun fünfzig Jahre lang kontinuierlich in Kinos ausgewertet werden.

Berlinale 1960
In Deutschland erlebte der erst ab 18 Jahren freigegebene Film 1960 auf der Berlinale seine Uraufführung und wurde unmittelbar nach dem Ende der Filmfestspiele, die Godard einen „Silbernen Bären" für die beste Regieleistung einbrachten, in den westdeutschen Kinos gestartet. Walter Koppels Hamburger Europa-Filmverleih hatte das Jahr zuvor bereits Truffauts „Sie küssten und sie schlugen ihn" herausgebracht und erreichte mit „Außer Atem" 1960 mehr als eine halbe Million Zuschauer. Vor allem in Universitätsstädten wie Heidelberg und Freiburg wurde Godards kühle Reflexion über das Leben und die Liebe zum Publikumsliebling der studentischen Szene, die sich in den neuen Filmkunstkinos Kamera und Kandelhof traf, während in den Filmpalästen immer noch Heimatschnulzen, Monumentalschinken mit Steve Reeves und Krimikomödien mit Eddie Constantine spielten. Wie Belmondo alles oder nichts wollte, also die Liebe von Patricia oder den Tod, so empfanden auch zahllose Studenten, die während des Studiums an unerwiderter Liebe verzweifelten und nicht selten Selbstmord als letzten Ausweg wählten. „Außer Atem" unterstrich die Vergeblichkeit des Jungseins noch vehementer als Truffauts vergleichsweise romantisches Drama „Sie küssten und sie schlugen ihn" über den jungen Träumer Antoine Doinel, der in Paris hin und hergestoßen wird, bevor man ihn schließlich aufs Land verbannt. Belmondo und Seberg zeigten das Vagabundieren auf den Straßen, das Träumen von Kino-Helden, das Vorgeplänkel im Bett, den Narzissmus, das enge Zimmer, die ratlosen Körper. Die deutsche Version des Films war zwar so gut wie ungeschnitten, dafür wurden einige explizite Dialogsätze weggelassen. So fehlt in der 36. Minute eine Frage Michels an Patricia, als sich beide im kleinen Badezimmer waschen. Bevor Patricia überm Bidet, in dem sie sich gerade die Füße wäscht, von ihrer Schwangerschaft erzählt, fragt Michel kurz: „Kann ich ins Waschbecken pinkeln?"

Liebling der Studenten

"Außer Atem" kam besonders in den Großstädten an. Der Film startete bereits am 8.7.1960 im Kölner Theater am Rudolfplatz und im Düsseldorfer Burg-Theater auf der Grabenstraße 15, wo er es auf immerhin drei Spielwochen brachte. Im Gegensatz zu einem jungen Mann namens Klaus Lemke, der später zum einflussreichen Independent-Regisseur werden sollte, konnte sich die Rheinische Post in Düsseldorf für Godards Schwarzweißkrimi nicht erwärmen und notierte in einem grandiosen Trugschluss: "Die menschlichen Beziehungen sind auf den (vorläufigen) Nullpunkt gesunken. Man kriecht unter die Bettdecke, weil man nicht weiß, ob man feige oder das Gegenteil sein soll. Man denunziert, weil man nicht weiß, ob man liebt (...) Was gerät außer Atem? Der Zuschauer? Nein, die eben noch ganz junge gefeierte Tristesse, die durch eisige Unmoral abgehalftert wird. So schnell vergehen die filmischen Moden." Ab 26.8. wurde der Film für jeweils eine Woche in den Düsseldorfer Kinos Wintergarten (26.8.-1.9.), Kronen am Dreieck (9.9.-12.9.), Atlantik Studio Holthausen (9.9.-12.9.) und Olympia auf der Oberbilker Allee (7.-10.10.) nachgespielt.
In Hamburg kam „Außer Atem" am 29.7.1960 im Passage-Kino auf der Mönckebergstraße 17 aus den Startlöchern, mit täglich fünf Vorstellungen. In der Werbeanzeige zitierte das Kino zur zweiten und vorerst letzten Woche den Pariser Express: „Dieser Film wird sich stets unter den stärksten und schönsten Filmen unserer Zeit behaupten. Er ist totaler Ausdruck modernen Denkens." Godards erster Langfilm lief dann ab 19.8. gleichzeitig in sage und schreibe 12 Hamburger Kinos (Knopf's St. Pauli, Kammer-Lichtspiele Dammtor, Capitol Hoheluftchaussee, Harmonie Wandsbek, Atrium, Ha-Li-Bü Bergedorf, Luxor, Schauburg Uhlenhorst sowie in Jeltheda Iderhoffs vier Roxy-Kinos auf der Eppendorfer Landstraße, der Carl-Petersen-Straße, derHellbrookstraße in Fuhlsbüttel und der Osterstraße). Anschließend spielte er für je eine Woche im Corso Fuhlsbüttel (ab 26.8.), in den Winterhuder Lichtspielen (26.8., heute: Magazin Filmkunsttheater), der Koralle in Volksdorf (2.9.), der Palette in Ochsenzoll (2.9.) sowie im La-Li (16.9.) und im Liliencron Groß-Flottbek (23.9.). In den Nachspielkinos der Stadtteile fand der Film jedoch nur wenig Publikum, so dass er dem Kinosterben, das Anfang der sechziger Jahre auf seinen Höhepunkt zusteuerte, kaum etwas entgegen setzen konnte. Die 603 Millionen Besucher und knapp 6.900 Säle des Jahres 1960 verringerten sich in den kommenden Jahren kontinuierlich um zweistellige Prozentzahlen. „Außer Atem" schrieb aber trotzdem Kinogeschichte, da er maßgeblichen Anteil am Erfolg und an der Etablierung neuer Studio- und Filmkunstkinos hatte, die ein intellektuelles Publikum abseits der krisengeschüttelten Unterhaltungskinos ansprachen.

Klassiker
Nach dem Konkurs des Europa-Verleihs brachte Pallas den Film 1963 erneut in die deutschen Kinos, wobei der Verleih das ursprüngliche Europa-Plakat nutzte und den Namen von Belmondo übergroß herausstellte, da sich Bebel mit „Cartouche, der Bandit" zum veritablen Star gemausert hatte. Der Name von Jean Seberg fehlte auf dem Plakat dafür gänzlich. Ab 1968 sorgten Filmkunstverleiher wie Walter Kirchner und Stephan Hutter mit kunstvoll arrangierten Fotoplakaten für kontinuierliche Wiederaufführungen. Bernd Lubowski schrieb im Hamburger Abendblatt zur vierten Wiederaufführung im Sommer 1981: „'Außer Atem´ ist Filmgeschichte. Mit diesem Film, zu dem Francois Truffaut das Originaldrehbuch schrieb, begann das moderne Kino."

(jl)

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