Aus einem kleinen, gutwillig gedachten Event für gesellschaftliche Randgruppen hat sich das Sommerblut Festival zu einem kulturellen Schwergewicht der Freien Szene entwickelt. Tabus sollten in diesem Jahr das zentrale Thema sein. Keine sonderlich originelle Entscheidung angesichts der Tatsache, dass Sommerblut aus der schwul-lesbischen Subkultur geboren wurde. Aber wie man sich doch täuschen kann. Ein klug zusammengestelltes Programm mit Ausstellungen, Tanz- und Theaterproduktionen, die dem Thema konsequent auf den Pelz rückten, bot Gelegenheiten, das „Tabu“ als ein soziales und ästhetisches Thema ins Bewusstsein zu rücken, dessen Sprengkraft nie verlöschen wird.
Neben aufwändigen Projekten, wie dem von der EU in Köln, Brüssel, Lissabon und Warschau entwickelten Projekt TABUROPA zählte die Performance „Magical“ zu den Highlights des Festivals. In der Studiobühne glitt das Licht der Scheinwerfer über den blanken Stahl einer großen Schere. Die Performerin Anne Juren schnitt sich mit ihr die Kleider vom Leib, bei jedem Schnitt schaute sie erst ins Publikum. Irgendwann war nichts mehr da zum Zerschneiden, wieder schaut sie ins Publikum und schnitt sich in den Arm, dass das Blut nur so floss. Dann tanzte sie lange zu Led Zeppelins „Whole lotta Love“, und in der nächsten Szene war sie immer noch unbekleidet, aber von einer Verletzung war nichts mehr zu sehen. „Magical“ lautete eben auch der Titel der Tanz- und Theaterproduktion, die Anne Juren und Regisseurin Annie Dorsen aus Wien als Gastspiel zeigten.
Spießig beginnt die Produktion zunächst als kreuzbraver Kochkurs im Stil jener Sendungen, die in den 50er Jahren Hausfrauen auf Linie bringen sollten. Aber dann fließt die Milch plötzlich nicht aus dem Tetrapack, sondern aus der Brust von Anne Juren, und es beginnt eine Zaubershow, die auch den Trick mit den Tüchern enthält, der in keiner Zaubershow fehlen darf. Nur, wo versteckt eine Frau die Tücher, wenn sie keinen Faden mehr am Leib hat? Juren zeigt einen feministischen Striptease ohne jede kommerzielle Gefälligkeit, der allein auf die schmucklose Präsenz des Körpers setzt. Das perfekte Kontrastprogramm zu „Germanys Next Topmodel“. Dabei zitiert sie die feministische Tradition von Anna Halprin bis zu Yoko Ono, Martha Rosler und Valie Export. „Magical“ bedient nicht das Klischee des zornigen Feminismus, sondern zeigt mit Humor die Selbstverständlichkeit des Körpers. Annie Dorsen und Anne Juren geben eine Vorstellung davon, wie der Feminismus als Instrument der Erkenntnis funktioniert, mit dem sich spielerisch nachfragen lässt, warum wir an einem bestimmten Punkt die Wirklichkeit im Halbdunkel belassen und dem Tabu eine Macht einräumen, die unsere Vitalität beschneidet.
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