Die Bilder der Stadt hängen wie Handtücher über der Wäscheleine. Bühnenbildnerin Annika Ley hängt persönlich Plakatbahnen, die als Projektionsfläche dienen, über die Drahtseile von sechs Masten. Ergibt sich daraus bereits ein Bild von London? Eine Woche flanierten Annika Ley, Bettina Marugg und Andreas Meidinger vom Bonner fringe ensemble durch die britische Metropole und sammelten Eindrücke. Die Tagebucheindrücke, Telefonate und Gespräche wurden dann zu dem Theaterstück „Die Flaneure/London“ verdichtet.
Bettina Marugg duckt sich unter eine Stehlampe und berichtet von Gesprächen über den Brexit; Andreas Meidinger erzählt vom Tod eines Automechanikers, von Einsamkeit und Londoner Schwulen. Die allgegenwärtige Überwachung wird genauso zum Thema wie der Highgate-Friedhof oder britische Vorgärten. Vieles wird gesprochen, manches gesungen. Und aus anfangs zwei Bildern werden immer mehr. Hat man nun ein Bild von London? Nein. Kann man überhaupt zielgerichtet flanieren?
„Der flânerie liegt neben anderem die Vorstellung zu Grunde, dass der Ertrag des Müßiggangs wertvoller sei als der der Arbeit“, heißt es bei Walter Benjamin. Müßiggang als Rechercheersatz? Letztlich erzählt jede Suche mehr über die Suchenden als über das Gesuchte. Andererseits ist jede Stadt bereits Kolportage, bevor man sie betritt. Doch die von dem Flaneurs-Trio bereits mitgebrachten London-Bilder, die gerichtete Neugier oder die spätere Ordnung der Eindrücke werden nicht befragt. Dem Abend fehlt darüber hinaus das Essayistische, sein Kunstanspruch zwingt den subjektiven Eindruck ins objektiviert Ästhetische, dem dann aber doch wieder die Substanz fehlt.
„Die Flaneure/London“ | R: Frank Heuel | 15. - 17.11. 20 Uhr | Theater im Ballsaal | 0228 79 79 01
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