Es ist die Saison der Trickster, der Hochstapler und Lügner im Theater. In Zeiten der Fake News muss die ultimative Frage gestellt werden, wer besser lügt: Das Theater oder die Politik. Die frühere Bundeshauptstadt jedenfalls legte mit dem WCCB-Skandal die Latte schon sehr hoch. Nach dem Umzug der Bundesregierung sollte in den alten Regierungsbauten ein Kongresszentrum entstehen. Die Stadt Bonn suchte nach einem internationalen Investor und man ihn in Man-Ki Kim und seiner SMI Hyundai Corporation, hinter der man den Automobilhersteller vermutete. Grotesk wurde es, als sich herausstellte, dass Man-Ki weder über die Finanzmittel, noch das Know-How für ein solches Projekt verfügte und 2009 Insolvenz anmelden musste. Die Stadt Bonn kaufte schließlich auf Kosten des Steuerzahlers das Grundstück zurück und stellte das Zentrum selbst fertig. Ein Thema wie gemacht für einen Regisseur wie Volker Lösch, der mit „Bonnopoly“ die Spielzeit am Theater Bonn eröffnet.
Ein Hochstapler ist auch Tom Ripley, der Held in Patricia Highsmiths Kriminalroman „Der talentierte Mr. Ripley“. Als kleiner Scheckbetrüger freundet er sich mit dem reichen Firmenerben Dickie Greenleaf an, tötet ihn und führt unter dessen Namen, das Leben, das er schon immer führen wollte. Die Angst vor der Entdeckung nötigt ihn allerdings zu einem zweiten Mord, der sein Leben aber nicht unbedingt in ruhigere Bahnen lenkt. Parallel dazu beschäftigt sich das Freie Werkstatt Theater in Köln in einem Projekt mit dem Phänomen der Fake News. „Last Night in Sweden“ spielt an auf Donald Trumps legendären Tweet, wonach in dem skandinavischen Land ein Terrorakt passiert sei – wovon man aber in Schweden nichts wusste. Wenn also die Politik in Sachen Imagination dem Theater Konkurrenz machen will, dann ist es nur gerechtfertigt, wenn die Bühne jetzt zurückschlägt.
Und auch das Schauspiel Köln schickt zum Auftakt der Spielzeit zwei Verwandlungskünstler auf die Bühne. Der Bauernjunge Peer Gynt ist der Tagträumer par excellence, der sich selbst in immer neuen Imaginationen neu entwirft. Ist das Hochstapelei oder eine Form bürgerlicher Selbstsuche, wenn man sich in die Welt der Trolle begibt, sich zum Großkapitalisten aufschwingt oder zum Kaiser der Irren? Am Ende kehrt er dorthin zurück, von wo er ausgegangen ist: seiner Geliebten Solveijg. Intendant Stefan Bachmann schickt Peer Gynt durch die Weiten der Welt. Und auch Frau Schmitz ist nicht immer, was sie scheint. Die Titelheldin in Lukas Bärfuss‘ gleichnamigem neuem Stück verwandelt sich von Frau Mustermann eines bürgerlichen Lebens in einen knallharten Manager eines global agierenden Unternehmen. Der Schweizer Autor verbindet die Frage von Geschlechterzuschreibungen mit den Zurichtungen des Arbeitsmarktes einer neoliberalen Politik.
„Bonnopoly“ | R: Volker Lösch | 9.9.(P) 19.30 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08
„Last Night in Sweden“ | R: Guido Rademachers | 14.9.(P) | FWT | 0221 32 78 17
„Der talentierte Mr. Ripley“ | R: Thomas Hupfer | 26.9.(P) | FWT | 0221 32 78 17
„Peer Gynt“ | R: Stefan Bachmann | 22.9.(P) | Schauspiel Köln | 0221 221 28400
„Frau Schmitz“ | R: Rafael Sanchez | 23.9.(P) | Schauspiel Köln | 0221 221 28400
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