„Ist die Zauberflöte ein Machwerk?“, fragte in den 1980ern eine einflussreiche Publikation. Das zielte weniger auf Mozarts Musik als auf das widersprüchliche Libretto von Emmanuel Schikaneder. Wenn das Theater am Sachsenring diesen Text jetzt ohne Musik auf die Bühne bringt, dann ist das zumindest ein Wagnis. Regisseur Joe Knipp nutzt Dialoge, Arientexte, Bühnenanweisungen als Material und hat den Plot für vier DarstellerInnen (Sharon Edelstein, Charlotte Welling, Sandra Welki, Jonas Herkenhoff) eingerichtet.
Die kühle, wenn auch nicht unnahbare Königin der Nacht gibt dem etwas blassen Tamino den Auftrag, ihre Tochter Pamina aus den Fängen Sarastros zu befreien. Der Prinz stürzt sich mit dem sehr lebendigen Vogelfänger Papageno ins Abenteuer. Das zunächst blaue ausgeleuchtet Reich der Nacht wandelt sich im zweiten Akt in das rote Sonnen-Reich Sarastros, der in hautengen Lack-Leggins und mit Stock auftritt.
Die Regie nimmt das Libretto ernst und wörtlich, ohne die Komik zu unterdrücken, ohne allerdings auch die Probleme zu betonen: Die Instrumentalisierung von Jugendlichen durch Erwachsene, die Frauenverachtung, der Rassismus laufen allenfalls als Indiz für die Dialektik der Aufklärung mit. Die berührendsten Momente bleiben wie immer dem dunkelhäutigen Monostatos und seiner Rassismus-Klage vorbehalten und Papageno als menschlichster Figur, die Angst hat, sich dem Heldentum verweigert, ein Kommunikationsgenie ist und ihre Moral dem Fressen unterordnet. Am Ende verliert die Inszenierung merklich an Spannung, was auch mit der etwas unterkomplexen psychologischen Figurenführung zu tun hat. Das Zauberflöten-Libretto bleibt ein „Machwerk“.
„Die Zauberflöte“ | R: Joe Knipp | 20.-22., 27.6. 20 Uhr | Theater am Sachsenring | 0221 31 50 15
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