Auf der Homepage des theater der keller grüßt der altgediente „zweite“ Mann zur neuen Spielzeit. Herbert Wandschneider hat nach dem Rauswurf von Intendant Hanfried Schüttler interimsweise das Kommando im 55 Jahre alten Privattheater übernommen: „Und wieder einmal stehen große Veränderungen an, um das Theater in der Südstadt zu retten.“
Seit längerem schon ranken sich Gerüchte um die schlechte wirtschaftliche Lage des Theaters wie der angeschlossenen Schauspielschule, die mittlerweile die eigenen Räumlichkeiten aufgeben musste. Die Schüler bevölkern nun zusätzlich das kleine Theater. Ein unmöglicher Zustand. Die Misere fing damit an, dass das Gebäude von der ehemaligen Mäzenin Ilse Schwarzhaupt an ihre Tochter übergeben wurde und diese es einem Architekten verkaufte, der es nun für 4.000 €/Monat vermietet sowie ab 2012 bereits Eigenbedarf angemeldet hat. Man steht also ohne dauerhaften Mietvertrag fürs Theater, ohne Schulräumlichkeiten und ohne eine neue künstlerische Leitung dar. Auch das kurze Tête-à-Têtemit dem Theater am Sachsenring, dessen Leiter Joe Knipp bereits für Ende des Jahres die Schließung seines Theaters vermeldete, hat sich mittlerweile erledigt. Nun verhandelt man wieder mit dem Hausbesitzer über einen neuen, günstigeren Mietvertrag.
So sehr diese Entwicklungen zu bedauern sind, denn es betrifft ja nicht nur Immobilien, sondern vor allem die dort arbeitenden Künstler, so deutlich muss auch darauf hingewiesen werden, dass ein Theater wie „derKeller“ – trotz der beschriebenen Widrigkeiten – teilweise selbstverschuldet in die Krise geriet: ein verwaschenes künstlerisches Profil zwischen Boulevard und anspruchsvollen Abenden in suboptimalen Räumlichkeiten, gepaart mit einem selbstherrlich ins Theater reinregierenden Trägerverein, führte das Theater von Platz 1 der freien Szene unter der Leitung von Meinhard Zanger nahezu in die Bedeutungslosigkeit. Auch die Qualität der ausgebildeten Schauspielschüler lässt nach. Alleine im Vergleich zur Kölner Konkurrenz, beispielsweise der Theaterakademie Köln, hat die private deutsche Vorzeigeschule von einst an Boden verloren. Dies sind Momentaufnahmen – klar – aber sie spiegeln eine für alle Kölner Theater bedrohliche Entwicklung: eine durch die Stadt systematisch, weil wissentlich betriebene Unterfinanzierung der freien Theaterszene in einem Verhältnis von mindestens 1:3 und zum anderen die teilweise über 30 Jahre alten Strukturen der Szene selber, die mit aktuellen ästhetischen Entwicklungen im nationalen und internationalen Vergleich schwer Schritt halten können und damit auf Dauer auch nicht das Publikumsinteresse behalten werden, sofern nicht Erneuerungen von den Machern selber vollzogen und von der Politik ermöglicht werden. Ein Teufelskreis – das wissen die Künstler. Freies Theater braucht den Mut zum Experiment, zum Scheitern, jenseits von ökonomischen Zwängen. Es braucht den heutigen Bedürfnissen an Bühnentechnik und Publikumserwartung entsprechende Räume. Mit bloßer Überlebensrettung des Bestehenden ist es da nicht getan...
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