Mit einem Besucherrekord und einem Doppel- Bären für Deutschland endete am 15. Februar die 59. Berlinale. Maren Ades Film „Alle anderen“ konnte die internationale Jury mit Tilda Swinton an der Spitze überzeugen. Neben einem Silbernen Bären für Birgit Minichmayr als beste Darstellerin wurde die deutsche Produktion auch mit dem Großen Preis der Jury bedacht.
Zu Recht, denn Maren Adens Geschichte eines ungleichen Paares, das sich in abgeschiedener Zweisamkeit durch einen Urlaub kämpft, wirkt authentisch und bleibt dicht an den Emotionen seiner Figuren. Die beiden Protagonisten, Anfang 30, liefern sich in einem Ferienhaus auf Sardinien ein packendes Duell voller Machtkämpfe und geheimer Rituale, bei dem die Mann-Frau-Rollenverteilung stets aufs Neue in Frage gestellt wird. Vor allem das frische Spiel von Birgit Minichmayr überzeugt, die nicht nur hier, sondern auch in einem weiteren deutschsprachigen Festivalerfolg brilliert: In Wolfgang Murnbergers Krimi-Satire „Der Knochenmann“ mit Josef Hader, der in der Neben-Sektion Panorama lief und dort vom Publikum bejubelt wurde, spielt sie eine resolute Küchenchefin. Glück für die deutschen Filmfans: Beide Werke haben bereits einen Verleih und laufen seit 19. Februar („Der Knochenmann“) und 18. Juni („Alle anderen“) in unseren Kinos.
Vom aktuellen Finanzthriller bis zur modernen Literaturverfilmung
Überhaupt haben diejenigen, die noch mehr Berlinale- Luft schnuppern möchten, dazu derzeit und in den nächsten Monaten reichlich Gelegenheit. So laufen sowohl der Eröffnungsfilm des Festivals, Tom Tykwers viel beachteter Finanzthriller „The International“, als auch die Fontane-Verfilmung „Effi Briest“, die in einer Gala-Vorstellung im berühmten Friedrichstadtpalast gezeigt wurde, bei der überraschend sogar Kanzlerin Angela Merkel ihre Aufwartung machte, bereits in unseren Kinos. Während Tykwer sich einem hochaktuellen Stoff widmet, der von der Wirklichkeit fast schon überholt wurde, vermag Regisseurin Hermine Huntgeburth ihrem historisch-literarischen Stoff überraschend moderne emanzipatorische Impulse zu verleihen.
Ein weiterer internationaler Festivalbeitrag mit deutscher Beteiligung ist Paul Schraders berührend- verstörendes Trauma-Bewältigungsdrama „Ein Leben für ein Leben – Adam Resurrected“ (Start: 19. Februar), in der Jeff Goldblum in der Rolle des KZ-Überlebenden Adam Stein an der Seite von Joachim Król und Moritz Bleibtreu versucht, die Dämonen seiner Vergangenheit zu überwinden.
Trauma- und Vergangenheitsbewältigung
Trauma- und Vergangenheitsbewältigung stehen auch im Vordergrund eines der Höhepunkte der Berlinale, die für den Oscar nominierte Bernhard Schlink-Verfilmung „Der Vorleser“ mit Kate Winslet in der Rolle der ehemaligen KZ-Aufseherin Hanna Schmitz, die eine Liebesbeziehung mit dem Schüler Michael Berg beginnt und plötzlich verschwindet. Erst Jahre später erfährt er, inzwischen Jura-Student, von ihrer Vergangenheit und sieht sich widerstreitenden Gefühlen ausgesetzt: seinem Entsetzen über eine Frau, die Tausende in den Tod schickte, die er aber immer noch liebt. Newcomer David Kross (Krabat), Kate Winslet und Ralph Fiennes liefern in dieser kongenialen Literaturadaption von Stephen Daldry eine absolute Oscar-reife Leistung ab. Das fand auch der Autor der Vorlage, der sich neben den nach Berlin gereisten Hollywood-Stars auf dem roten Teppich präsentierte (Kinostart: 26. Februar).
Die Kriegs- und Nachkriegszeit spielen auch eine zentrale Rolle in zwei weiteren Filmen, die außerhalb des Wettbewerbs präsentiert wurden. Kai Wessels Hildegard-Knef-Biopic „Hilde“ (Start: 12. März) schildert das Leben der deutschen Schauspielerin und Sängerin ausgehend von ihrem legendären Konzert in der Berliner Philharmonie in Rückblicken ab Ende der 30er Jahre. Dabei gelingt es Hilde-Darstellerin Heike Makatsch verblüffend gut, diese deutsche Legende wieder lebendig werden zu lassen, inklusive der selbst interpretierten Gesangseinlagen. Dabei wird durchaus keine Heiligen-Legende gesponnen, die Knef wird mit all ihren Macken gezeigt, etwa die kühl kalkulierende Berechnung, mit der sie nicht mehr der Karriere dienliche Lebenspartner abserviert.
13 Kurzfilme zur Lage der Nation
Florian Gallenberger zeigte seinen Film „John Rabe“ (Start: 2. April) über einen bei der Firma Siemens angestellten und nach China abgeordneten Kaufmann, der Ende der 30er Jahre durch seinen mutigen Einsatz das Leben Tausender Chinesen vor den im Krieg vorrückenden Japanern rettete und dort noch heute als Volksheld verehrt wird. Ganz im Heute dagegen präsentierte sich der Kompilationsfilm „Deutschland 09“ (Start: 26. März), in dem 13 renommierte deutsche Regisseure 30 Jahre nach „Deutschland im Herbst“ in rund 10minütigen Beiträgen aus ihrer Sicht versuchen, einen Einblick in die Lage der Nation zu geben. Von witzig bis düster reicht dabei die Palette, die Themen vom deutschen Pessimismus bis zum Überwachungsstaat.
Trotz zwei zusätzlicher Spielstätten platzte das Festival in diesem Jahr mit seinen 383 Filmen in 1.238 Vorführungen aus 136 Ländern aus allen Nähten. Stolze 270.000 Karten wurden verkauft und damit ein neuer Publikumsrekord aufgestellt. Berlin entwickelt sich unaufhaltsam zum Mekka der Cineasten aus aller Welt.
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