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„Antigone"
Foto: Meyer Originals

Antigone und der IS

22. Dezember 2015

„Antigone" im Theater im Bauturm – Theater am Rhein 01/16

Gut, wenn in einem Politiker auch ein Pathologe steckt. Das erleichtert die Beseitigung der Opfer. In Kostas Papakostopoulos' „Antigone" säbeln der Staatspräsident (Thomas Franke) und sein Regierungschef Kreon eifrig an der Leiche von Polyneikes herum, bis das Blut und die Euros spritzen. Die beiden bilden ein Duo infernal in ihrem Bunker zwischen Grabkammer und Seziersaal: immer lustig und abgefeimt, immer freundlich und opportunistisch. Lautstark singen sie das Loblied der Demokratie, wollen Bürger und Märkte nicht verschrecken und haben sofort den Geldschein als Schmiermittel zur Hand. Vor allem Kreon (Stefan Kleinert) kennt alle Tricks der Selbstoptimierung und Machtstrategie.

Der Abend müsste deshalb eigentlich „Kreon" und nicht „Antigone" heißen. Denn die Antigone der Lisa Sophie Kusz schaut zwar streng und ungeschminkt aus ihrer puritanisch düsteren Wäsche, ist aber kaum mehr als der Katalysator für eine so ausgiebige wie kursichtige Politikerschelte. Während sie ihren Bruder Polyneikes beerdigen will, ruft Kreon ihn zum Terroristen aus und verweigert ihm die Bestattung. Papakostopoulos vermengt dabei aktuelle Politikerstatements zu den Anschlägen von Paris und zum Terrorismus mit Sophokles, wodurch sich plötzlich Assoziationen von Antigone und dem IS als Rebellen gegen dekadente, machtgierige westliche Politiker einstellen – was entweder geschmacklos oder nur halb durchdacht erscheint. Denn Antigone argumentiert bei Sophokles zwar durchaus reaktionär, wenn sie sich auf die ewigen Gesetze der Götter beruft – niemand möchte heute nach den Gesetzen eines Uralt-Christentums (oder Uralt-Islam) leben. Sie protestiert aber auch gegen Kreons Willkür und seine Feindessymbolik über den Tod hinaus. Der wiederum plädiert für ein positives, von Menschen gemachtes Recht, was wesentlich moderner ist, aber sich eben auch taktisch nutzen lässt. Es ist diese Ambivalenz, die die Inszenierung hätte ausloten müssen. Doch Kostas Papakostopoulos' Antigone-Rewriting begnügt sich mit einer vorschnellen Schuldzuweisung an die Politik.

„Antigone" | R: Kostas Papakostopoulos | 21.1., 22.1. 20 Uhr, 23.1. 19 Uhr, 24.1. 18 Uhr | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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