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„Wild-romantisch“ nennt Joachim Kühn seine Zeit als Filmvorführer in den 1980ern; rechts Tobias Leveringhaus
Foto: Mario Müller

Unvergessene Abende

19. Juli 2017

Guerilla Kino erinnert an das Stadtgarten-Kino – Kino 07/17

„Film und Video im Stadtgarten“ war der offizielle Name des Kinos, das jetzt viele Jahre nach seiner Schließung nochmals einen Saal mit Filmenthusiasten füllte. Das Programm „Guerilla Kino“ möchte mehrmals im Jahr einige der früher mal 80 Kinos in Köln (im Jahr 1956) für jeweils einen Abend reaktivieren, um an alter Stätte nochmals einen Filmabend zu veranstalten. Zum Auftakt spricht Veranstalter Tobias Leveringhaus im Konzertsaal mit einem Zeitzeugen des sogenannten Stadtgarten-Kinos: Joachim Kühn betreibt heute die Filmpalette und den Verleih Real Fiction. Fotos von früher und die Erzählung aus erster Hand lassen die Atmosphäre wieder aufleben, obwohl man streng genommen etwas neben dem alten Kinosaal sitzt. Denn der Zuschauerraum war im heutigen Eingangsbereich des Stadtgarten: Wer schon mal vor der Türe des Konzertsaals auf Einlass gewartet hat, stand mitten drin. Das kleine Fenster zum Vorführraum ist noch heute zu sehen.

Besonderes Merkmal des Kinos waren wohl die Sitze: Sie stammten aus British Airways-Fliegern. Bespielt haben den Saal drei Gruppen: die 235 Media, die Initiative Kölner Jazzhaus und das Kölner Filmhaus. Erstere spielten vor allem experimentelle Videokunst, und auch sonst wurden fast ausschließlich Filme gezeigt, die in Köln sonst nicht zu sehen waren. Zwischen der Öffnung des Kinos 1986 und der Schließung 1996 wandelte sich das Programm aber auch stark, wie Joachim Kühn berichtet. Bei einer Besonderheit blieb es aber immer: Die Spielstätte war unabhängig von ökonomischem Druck, wie Kühn besonders hervorhebt. Das Stadtgartenkino „hat vielen Menschen die Möglichkeit gegeben, einen lässigen Einstieg in die Film- und Medienbranche zu finden.“

Und so entstanden aus seinem Umfeld gleich mehrere Institutionen, die noch heute für Abwechslung in der Kölner Kinolandschaft sorgen. Aus einem späteren Schwerpunkt des Hongkong-Kinos ging der Verleih Rapid Eye Movies hervor. Filmfans und -vorführer gründeten den Filmclub 813. Und Joachim Kühn selbst gründete den Verleih Real Fiction und bestimmt nach dem Programm des Stadtgartenkinos und des danach geöffneten Filmhauskinos heute über das Programm der Filmpalette.

Obwohl Tobias Leveringhaus‘ „Guerilla Kino“ auch das Kinosterben sichtbar machen soll, ist Kühn beim Blick in die Zukunft guter Dinge. Seit den 1980ern gebe es ja wieder mehr Leinwände und Spielstätten in Köln. Die erweiterte Filmpalette, die wiederbelebte Lupe (Turistarama), das Weisshaus, die Kinos am Ring und bald auch  in Kalk. Zeigen sie alle Filme, die sonst nicht zu sehen wären, kommt man vielleicht irgendwann wieder zu einer filmischen Vielfalt in Köln wie damals durch den Stadtgarten – davon sei man nämlich weit entfernt, so Kühn. Überraschende Diagnose also: „Die zusätzlichen Leinwände nehmen sich nichts weg.“

Düsterer dagegen der Blick des Verleihers auf den deutschen Film: Zu viele Filme seien das, und im Grunde werde die Filmförderung missbraucht für eine Querfinanzierung von Fernsehfilmen.

Die beiden gezeigten Filme des Abends haben dann zum Kino-Ort leider kaum einen erkennbaren Bezug. Möglich, dass die demenzkranke Hauptfigur des von Leveringhaus produzierten ifs-Abschlussfilms „Kriegerstock“ auf das vergessene Kino verweist. Die Komödie „Familienfieber“ (2014) von Nico Sommer – am 10.8. startet sein neuer Film „Lucky Loser“ – erweist sich als kleine Perle mit tollen Schauspielern, die diese zweite Aufführungschance sicher mehr als verdient hat. Von experimenteller Videokunst ist sie aber natürlich weit entfernt.

Mario Müller

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