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Regisseur Frank Castorf
Foto: Thomas Aurin

Umkehrung der Machtverhältnisse

27. September 2018

Theaterpremieren im November – Prolog 10/18

Das Gespenst der Revolution geht mal wieder um: In der Politik und im November auch auf der Bühne. Zunächst bringt Frank Castorf Dostojewskijs Roman „Ein grüner Junge“ auf die Bühne. Der frühere Chef der Berliner Volksbühne arbeitet inzwischen als Freelancer und kann so auch mal das Kölner Schauspiel mit seiner Gegenwart beglücken. Der Roman fehlt noch in Castorfs Auseinandersetzung mit dem russischen Großromancier. Im Zentrum steht der junge Arkadij Dolgorukij, unehelicher Sohn eines Gutsbesitzers und einer Magd. Er macht sich in St. Peterburg auf die Suche nach seinem Vater, wird zum Spieler und gerät in eine vorrevolutionäre Atmosphäre zwischen Ideologen, Betrügern und Selbstmördern. Am Ende findet er wieder zu seiner Familie zurück.

Gleichzeitig inszeniert Sebastian Baumgarten ebenfalls am Schauspiel das selten gespielte Drama „Rheinische Rebellen“ des frühen Brecht-Freundes Arnolt Bronnen, der später zu den Nationalsozialisten überlief. Rebelliert wird gegen die Rheinlandbesetzung im Jahr 1923 – angeführt vom charismatischen Separatisten und Hedonisten Occc, einem Mann zwischen vier Frauen. Mit der politischen Überzeugung ist es allerdings nicht weit her, wenn Gefühle ins Spiel kommen. Die berühmte Frage nach der „sexuellen Hörigkeit“ ist weder ideologisch, noch kriminell zu erledigen. Das wusste schon Bronnen, das wusste später Brecht in der „Dreigroschenoper“ und noch später Sartre in „Die schmutzigen Hände“.

Am Theater Bonn wiederum inszeniert Claudia Bauer, die frühere Leiterin des Theaterhauses Jena und vielfach preisgekrönte Regisseurin, die 2017 auch zum Berliner Theatertreffen eingeladen war. Sie beschäftigt sich mit Jean Genets „Die Zofen“, die im Spiel die Umkehr gesellschaftlicher Machtverhältnisse erproben. Wenn die Gnädige Frau außer Haus ist, werfen sich die Dienstmädchen Claire und Solange in die herrschaftlichen Roben. Und dann wird gespielt: mit Macht und Unterwerfung, mit Lust und Frust, mit Erotik und Gewalt. Da die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit nie strikt zu ziehen sind, greift die Fantasie schnell in den Alltag über und hinterlässt tiefe Schneisen der Verletzung und Zerstörung. Die Umkehrung der Verhältnisse kann nicht friedlich sein – oder sie wird nicht sein. 

„Ein grüner Junge“ | R: Frank Castorf | ab 1.11. | Schauspiel Köln | 0221 221 284 00

„Rheinische Rebellen“ | R: Sebastian Baumgarten | ab 23.11. | Schauspiel Köln | 0221 221 284 00

„Die Zofen“ | R: Claudia Bauer | ab 15.11. | Theater Bonn | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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