Für die Freunde des klassischen Theaters, ohne politische oder emanzipatorische aufgeblasene Effekte und ohne postmoderne Regiemätzchen, sondern mit einer geradlinigen Inszenierung – da gibt es einen Geheimtipp in Köln: das Metropol Theater in der Südstadt. Die Schauspielerin Mareike Marx wollte von Kindesbeinen an auf die Bühne, studierte an verschiedenen Instituten in Köln und übernahm 2011 das insolvente und leicht heruntergekommen Revuetheater „Metropol“ als jüngste Intendantin Deutschlands mit ehrgeizigen Plänen. Die stimmungsvolle Location ist ein Gewölbekeller in einem Reihenhaus, über den schlichten Eingang nicht einfach zu finden; nur über eine lange Treppe erreicht man die theatrale Unterwelt, wo die 80 Zuschauer sehr bequem auf ehemaligen Kinositzen Platz nehmen. Das zweite und derzeit wichtigere Standbein des Theaters ist das sehr gut nachgefragte Kindertheater, monatlich werden 6 bis 8 verschiedene Stücke aufgeführt, von „Alice im Wunderland“ über „Baba Jaga“ bis hin zu „Minna und das Kugelrüh“. Jüngste Kreation für Erwachsene ist Molières „Amphitryon“, und es folgen im nächsten Jahr Shakespeares „Der Sturm“, der „Diener zweier Herren“ von Goldoni und „Lieder über Lara“.
Mit „Amphitryon“ – hier kam die Molières frühe Version von zur Aufführung, die auf Plautus fußt – hat das kleine Theater die Vorgaben der Intendanz perfekt erfüllt: eine leichtfüßig-frivole Verwechslungskomödie über das gestohlene Ich mit spritzigen Dialogen und wunderbaren jungen Schauspielern. Die Titelfigur ist der frisch vermählte Kriegsheld Amphitryon, dem der Gott Jupiter in dessen eigener Gestalt Hörner aufgesetzt hat: Im Outfit des siegreichen Helden schmeißt er sich an dessen erotisch ausgehungerte Gattin Alkmene (Leonie Renée Klein als mal wutschnaubende, mal anzügliche Alkmene), um sie mit einer Liebesnacht zu beglücken. Was auch prima klappt, denn sicherheitshalber hat er seinen Diener Merkur (Jan Kaerlein) als Aufpasser mitgebracht. Der kommt in Gestalt von Sosias (Holger Giebel), dem Diener des Amphitryon, also verprügelt der falsche Diener den echten, total ratlosen in herrlich choreografierten Kampfszenen nach Strich und Faden. Sosias frag sich: „Doch wer bin ich? Ich muss doch schließlich auch was sein.“
Nun steht am nächsten Morgen der echte Ehemann vor der Türe, der sich an die rauschhafte Nacht natürlich nicht erinnern kann. Und sie fragt auch noch: „So schnell zurück“? Da geraten alle Sicherheiten ins Wanken beim Konflikt zwischen den beiden Herren, alle Protagonisten stürzen in eine existentielle Identitätskrise, einschließlich Cleantis (Melanie Wäsch), der exzentrischen Gattin des Sosias. Nach etlichen Aktionen und Verwirrungen stehen sich schließlich der richtige und der falsche Amphitryon gegenüber. Beide Schauspieler – Damon Zolfaghari als unnahbarer Lüstling Zeus und Aslan Aslan als in seinem Stolz gekränkter Ehemann – sehen sich ähnlich, haben türkische bzw. iranische Wurzeln und tragen beide einen schwarzen Vollbart, was zur spontanen Erheiterung des Publikums beitrug und dem Maskenbilder einige Arbeit erspart haben dürfte.
Die zweistündige Aufführung – hier mit Pause – wurde vom Premierenpublikum stürmisch gefeiert – klarer Verdienst des homogen agierenden und ungebremst spielfreudigen Ensembles. Regisseur Marcel Höfs hat für eine prägnante Charakterzeichnung, für viele kleine szenische Gags, geistreiche Anspielungen und eine temporeiche Inszenierung gesorgt und die Risse in der menschlichen Identität der handelnden Personen auf das Tragischste, zugleich aber auch auf das Komischste dargestellt. Denn diese fragen sich, ob sie überhaupt zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden können, weil sie nicht wissen, wer überhaupt wer ist. Und da nichts ist, was es scheint, verliert der Zuschauer zusammen mit den Figuren auf der Bühne den Boden unter den Füßen und sinniert, ob er weinen oder lachen soll.
Komödiantischer Höhepunkt war der Auftritt des Dieners Sosias, mit köstlicher Körpersprache, mit Slapstick, mit gutem Timing und berechtigtem Szenenapplaus. Denn Molière – zu Lebzeiten gehasst und gefürchtet – wollte mit diesem Stück seinem Dienstherren Louis XIV. eine Lektion erteilen über die Willkür der Mächtigen gegenüber dem Schwachen; allerdings hat dieser damals die Verdoppelung der Charaktere nicht verstanden.
Ein Trost: Immerhin sollte aus dem One-Night-Stand – so prophezeite es der Verführer – der Held Herkules geboren werden, mit dem es später niemand werde aufnehmen können. Immerhin etwas.
„Amphitryon“ | R: Marcel Höfs | 20./21.10., 9./10.11. 30.11./1./2.12. 20 Uhr | Metropol Theater | 0221 32 17 92
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