Im zweiten Teil unseres Gesprächs geht es um das digitale Archivprojekt der Akademie der Künste der Welt, das zum Abschluss des diesjährigen Programms am 6. Dezember vorgestellt wird, sowie Aufgaben und Finanzierung der Akademie.
choices: Frau Dutta, was ist nach Ihrer Meinung die wichtigste Aufgabe der Akademie?
Madhusree Dutta: Die Akademie hat lange als eine Art Galerie funktioniert. Aber wir versuchen – so etwas braucht Zeit, aber nächstes Jahr können Sie die Ergebnisse sehen – auch eine Akademie zu werden und verschiedene Energien in der Stadt miteinander zu verbinden: die freie Szene, die großen Institutionen, die Dokumentationszentren, Aktivistenzentren und Gemeinschaftsinstitutionen. Aber eine Beobachtung, die ich als Fremde gemacht habe: Hier ist alles recht zerstreut und unverbunden. Es gibt viel Energie, viele Veranstaltungen und viele Gedanken zur Zukunft, aber es verharrt im eigenen Raum. Nicht nur in Köln, sondern in der Region: Die Bochumer gehen nicht nach Essen, die Essener haben nichts mit Köln am Hut, Köln fühlt sich nicht mit Düsseldorf verbunden, das nur 20 Minuten entfernt ist... Ich komme aus einer Kultur, wo man in weiteren Kreisen denkt. Hier ist jeder unabhängig und autonom. Das hat manche Vorzüge, ist aber auch sehr beunruhigend. Als Leiterin dieser Institution habe ich es daher als eine zentrale Aufgabe verstanden, die Teile zu verbinden. Wir schaffen Programme und Möglichkeiten, Plattformen, die die vorhandenen Energien der Stadt zusammenbringen.
Was für Plattformen meinen Sie?
Wir arbeiten gerade mit sehr vielen Menschen zusammen. Ein Projekt, das Sie 2019 sehen werden, sind die „Memory Stations“, die wir in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Institutionen eröffnen – in Köln zum Beispiel in der Alten Feuerwache, in Kalk, Mülheim, Ehrenfeld, außerdem gehen wir nach PACT Zollverein in Essen, in Bochum arbeiten wir mit queer-feministischen Organisationen. Wir eröffnen kleine Stände, wie Studios, mit kulturellen Veranstaltungen. Die Akademie wird aufgeteilt in viele kleine Stücke an unterschiedlichen Orten. Wir wollen die Menschen aus den jeweiligen Nachbarschaften einladen, ihre Erinnerungen zu spenden, um letztendlich ein öffentliches Archiv zu erschaffen, das von unterschiedlichen Orten aus gespeist wird, ein öffentliches Archiv der jeweiligen Stadt. Das ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Es sind schon über 30 Institutionen beteiligt und wir suchen nach weiteren.
Und das organisiert alles die Akademie?
Nicht direkt, wir initiieren das, und die Partnerinnen und Partner sind autonom beteiligt. Gestern hatten wir ein Meeting mit zwei Gruppen aus Ehrenfeld, die mich treffen wollten – artrmx und das Migration-Audio-Archiv – und ich habe gesagt: Bevor ihr mich trefft, solltet ihr euch selbst kennenlernen! Sie arbeiten fünf Minuten voneinander entfernt und haben sich nie gesehen. Wir haben sie also im Kontext unseres Projekts zusammengebracht und sie zur Zusammenarbeit ermutigt, wenn nicht dieses Jahr, dann nächstes Jahr. Und das ist unser Job. So sehe ich das als Fremde, die hier nicht so leicht eine eigene Initiative starten kann. Aber wir können verbinden, was da ist, weil die Akademie eben eine Akademie ist. Sie ist keine Galerie, kein Museum, kein Studienkreis, keine Gemeinschaftsorganisation.
Einen Vorgeschmack auf das Archiv gibt es am 6. Dezember unter dem Arbeitstitel „loading.cologne“, was wird da schon zu sehen sein?
Madhusree Dutta: Wir präsentieren die Beta-Version der Website. Das „Haus“ wird fertig sein, die Inhalte wie Dokumente und Fotografien kommen dann im nächsten Jahr über die Memory Stations.
Sarah Bolz (Pressesprecherin): Wir zeigen schon einige Arbeiten, die Studierende in einem Projekt mit uns angefertigt haben. Im nächsten Frühling arbeiten wir dann mit den Memory Stations, um Erinnerungen zu sammeln, die wir hochladen. Am Schluss soll die Plattform für alle zugänglich sein.
Wie kamen Sie auf diese Idee?
Madhusree Dutta: Als Künstlerin habe ich viel mit Erinnerungen, Archiven und Dokumenten gearbeitet. Insofern ist das eben mein Gebiet. Aber es hat auch mit den Kontroversen um die Akademie bei meiner Ankunft zu tun, dass sie zu international ausgerichtet sei und nicht auf Lokales anspreche. Ich nahm mir dann vor, die ganze müßige Diskussion auf künstlerische Weise zu beantworten, anstatt mich zu streiten.
Was wird sich dann am 6. Dezember abspielen?
Das ganze Jahr über hatten wir eine Reihe von Vorträgen, Diskussionen und Filmen zur Archiv-Praxis. Angesichts einer Vielzahl Mitwirkender wollten wir eine Art „Archiv-Kompetenz“ herstellen: Was machen andere Gruppen, wie wird in anderen Weltteilen mit Erinnerungen umgegangen? Am 6. Dezember wollen dies zum Abschluss bringen. Es wird an dem Abend zwei Events geben. Zum einen erklärt das Duo Ubermorgen in einem Vortrag das Internet als tot – provokant, aber sie glauben das. Dann präsentieren wir unser digitales Web-Archiv und stellen damit diese These infrage. Das Internet ist sehr kommerziell geworden, es hängt mit Überwachung und multinationalen Konzernen zusammen, es gibt Probleme mit dem Datenschutz und Zugangssperren. Personen werden zu Daten reduziert. Das ist aber nur eine Seite. Unser Projekt befasst sich damit, wie wir uns trotzdem noch Raum im Internet erhalten können. Wir glauben an Gemeingut. Wie sehen gemeinsame Ressourcen im Internet aus? Wir wollen das Internet, das schon sehr kommerziell ist, natürlich nicht romantisieren, aber wir wollen es voranbringen. Uns interessiert auch, ob es auch im Internet Kämpfe um Raum geben wird oder so etwas wie Hausbesetzungen.
Gibt es derzeit eigentlich Künstleresidenzen bei Ihnen?
Es gab in diesem Jahr nur einen, mehr konnten wir uns wegen der Kürzungen nicht leisten. Im Juli kam Percy Zvomuya, ein Sportjournalist aus Zimbabwe, er hat auf unsere Einladung hin die Fußballweltmeisterschaft aus der deutschen Sicht begleitet.
Sarah Bolz: Percy ist auch ein neues Akademie-Mitglied. Für das nächste Jahr planen wir mehrere Projekte mit Mitgliedern, sie werden daher nach Köln kommen und sehr präsent sein.
Madhusree Dutta: Im Herbstprogramm ist eine Mitglieder-Ausstellung vorgesehen mit einigen größeren Arbeiten.
Die städtische Förderung wurde ja Anfang des Jahres um 40% auf 600.000 Euro gekürzt. Nun werden es also wieder mehr?
Sarah Bolz: Der Haushalt wurde kürzlich verabschiedet, 2019 wird das Budget wieder angehoben auf 850.000 Euro. Die Zusammenarbeit zwischen der Politik und der Akademie hat sich enorm verbessert. Wir laden den Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Schäfer, der ja auch Politiker ist, regelmäßig zu uns ein und er steht in regem Austausch mit Madhusree Dutta. So eine Beziehung gab es vorher nicht, wodurch es wohl auch etwas an Vertrauen fehlte, was die Zukunft der Institution angeht. Madhusree Dutta und ich wollten von Anfang an die Kommunikation mit der Politik verbessern und auch für Ratschläge offen sein. Das funktioniert sehr gut.
loading.cologne | Do 6.12. 19 Uhr | Academyspace, Herwarthstraße 3 | Eintritt frei | www.academycologne.org
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