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Tim Poppen, Franz Schwärzler, Simon Ebeling (v.l.),
Foto: Simon Ebeling

„Gründet nicht für Geld“

19. Mai 2025

Wie Kölner Studenten mit KI Anträge auf Sozialleistungen erleichtern wollen – Spezial 05/25

Sechs Studenten haben eine barrierefreie KI-Assistenz in über 80 Sprachen entwickelt, die zur Entlastung der deutschen Ämter die Antragstellung auf Sozialleistungen wie Wohngeld und BAföG vereinfachen soll. Ihr Start-up OpenAdvo zählt 10 Mitarbeitende, besteht seit knapp einem Jahr und arbeitet derzeit mit der Stadt Tübingen an einem Pilotprojekt zum Wohngeld. Ein Gespräch mit den Mitgründern Franz Schwärzler und Simon Ebeling.

Wie seid ihr auf die Idee für OpenAdvo gekommen?
Franz Schwärzler (FS):
Deutschland ist ja eigentlich ein Sozialstaat, doch circa 60 Prozent der Bürger:innen nehmen die Sozialleistungen gar nicht in Anspruch. Dagegen wollten wir etwas tun, und dann kamen Tim und Felix an Weihnachten auf die Idee, das Problem mithilfe von künstlicher Intelligenz zu bekämpfen.
Simon Ebeling (SE): Die Ämter sind total überfordert, es gibt Sprachbarrieren, und oft wissen die Menschen eben gar nicht, dass sie überhaupt Anspruch auf die Sozialleistungen haben. Deswegen steht OpenAdvo rund um die Uhr und auf über 80 Sprachen zur Verfügung. Damit wollen wir mithilfe von künstlicher Intelligenz Behörden unterstützen – nicht Mitarbeitende ersetzen.

Was waren Herausforderungen bei der Entwicklung?
SE:
Zuerst mussten wir uns überlegen, wie OpenAdvo finanziert wird – schließlich wollten wir kein Geld von den Personen nehmen, die Sozialanträge stellen und bedürftig sind. Zum Glück gibt es ein Digitalisierungsbugdet vom Bund, der eben auch merkt, wie wichtig künstliche Intelligenzen werden. Trotzdem hatten wir anfangs eine starke Unsicherheit, wie unser Projekt überhaupt ankommt. Auch die Umsetzung des Datenschutzes brachte Herausforderungen mit sich.
FS: Auch mit unserem betriebswirtschaftlichen Know-how war es eine Herausforderung, ein Projekt dieser Größenordnung in der Praxis umzusetzen. Theorie und Realität unterscheiden sich oft deutlich – gerade bei einem Sozialprojekt, das wirtschaftlich tragfähig, aber gleichzeitig sozial gerecht sein soll. Besonders bei der Finanzierung mussten wir im Team intensiv abwägen, welche Ansätze unseren Werten entsprechen und zugleich langfristig tragfähig sind.

Ihr studiert nebenbei noch an der Universität – wie lassen sich Gründen und Studieren miteinander vereinbaren?
SE:
Das war schon schwierig, vor allem bezogen auf personelle Ressourcen. Wir mussten alle viel arbeiten, ohne dafür bezahlt zu werden. Anfangs war die Idee noch gar nicht greifbar. Manche von uns haben ein sogenanntes Gründungssemester in Anspruch genommen oder studieren sowieso online – dann ist man natürlich flexibler. Letztendlich haben wir das Studium auch hinten angestellt, weil wir Potenzial in der Idee gesehen haben.
FS: Man lebt auch bisschen für die positive Resonanz und das Feedback, was man bekommt. Das ist immer eine schöne Erfahrung, wenn man sieht, dass auch die Behörden Interesse an unserer Idee haben. Trotzdem ist es natürlich alles sehr zeitlastig. Das Gründungsstipendium ist auf eine Vollzeit-Tätigkeit ausgelegt, genau wie das Studium – viel Zeit für Freizeit bleibt dementsprechend nicht mehr übrig.

Die Start-up-Branche ist nach wie vor von Männern dominiert. Auch euer Team besteht ausschließlich aus Männern, wie geht ihr mit der fehlenden Diversität um?
FS:
Wir sind uns bewusst, dass unser rein männliches Team nicht den Anspruch an Diversität erfüllt, den wir uns langfristig wünschen. Das liegt auch daran, dass wir uns im MINT-Umfeld (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, Anm. d. Red.) kennengelernt haben, wo Frauen leider noch immer unterrepräsentiert sind. Wir möchten das nicht als Ausrede stehen lassen, sondern sehen es als Auftrag, aktiv gegenzusteuern. Unser Ziel ist es, ein diverses Team aufzubauen, das die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt – und dafür hinterfragen wir unsere Strukturen, Sprache und Zugänge im Recruiting ganz bewusst.

Wie sollen diese Maßnahmen aussehen?
FS:
Wir sehen die Quote nicht als Selbstzweck, sondern als ein mögliches Werkzeug auf dem Weg zu mehr Chancengleichheit. Viel wichtiger ist für uns jedoch, Strukturen zu schaffen, die Diversität aktiv fördern. Deshalb überarbeiten wir gerade unsere Recruiting-Prozesse: Dazu gehören zum Beispiel geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen, anonyme Bewerbungen und die gezielte Ansprache von Netzwerken, die Frauen in der Tech- und Start-up-Branche unterstützen.
SE: Es beginnt schon bei der Sprache in der Ausschreibung – wenn man hier bewusst formuliert und Sichtbarkeit in diversen Kanälen schafft, erreicht man auch andere Zielgruppen. Ein diverses Team bringt mehr Perspektiven und macht unsere Lösung letztlich besser für alle.

Was könnt ihr jungen Leuten mitgeben, die auch ein Start-up gründen wollen?
SE:
Geht in lokale Gründungsvereine: Enactus-Köln ist beispielsweise ein sehr gutes Netzwerk, in dem ihr euch weiterbilden könnt. Wenn man einmal im Start-up-Ökosystem ist, wächst man gut rein.
FS: Genau, und ganz wichtig: Gründet nicht für Geld. Gründet aus einer Idee heraus, von der ihr wirklich überzeugt zeigt und erschafft dafür kein künstliches Problem.

Interview: Tara Yakar

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