Madhusree Dutta, Künstlerische Leiterin und bereits Gründungsmitglied der 2012 ins Leben gerufenen Akademie der Künste der Welt, arbeitet mit ihrem Team intensiv am Programm für 2019, mit dem sie neues Publikum und eine breitere Akzeptanz erreichen will. Zudem hat sich sich vorgenommen intensiv Deutsch zu lernen. „Dann werde ich besser in der Lage sein zu kommunizieren. Das macht es für alle angenehmer, das ist mir wichtig.“ Die indische Filmemacherin hat zu Beginn des Jahres ihre Arbeit in Köln aufgenommen, gerade als die Akademie eine Kürzung ihrer Mittel verkraften musste. Inzwischen hat sie sich eingelebt und ist bereit für ein Zwischenfazit.
choices: Frau Dutta, zunächst einmal, werden Sie uns weiter erhalten bleiben?
Madhusree Dutta: Ja, ich habe gerade für zwei weitere Jahre unterzeichnet!
Wie ist denn das Programm in diesem Jahr angenommen worden?
Großartig! Wenn ich das selbst so sagen darf, was mir fast etwas unangenehm ist. Aber ganz ehrlich, als ich herkam, hatte ich das niemals erwartet. Nicht nur das Programm: wie Köln mich akzeptiert hat – die Menschen, aber auch die Bürokraten, über die viele klagen, die Kölner Künstler, die anderen Kunst-Institutionen – ist absolut großartig. Ich hatte keinen Moment das Gefühl, dass ich nicht den Freiraum erhielte, der mir zusteht. Das Programm wurde gut angenommen, obwohl es dieses Jahr komplett neu war. Als ich ankam, war die Akademie nicht in der besten Verfassung. Es hatten sich Kontroversen um die Institution gebildet und ich war tatsächlich ein wenig nervös, als ich die Leitung übernahm. Aber ich hatte mich schon dazu verpflichtet und wollte mich dann auch nicht drücken. Die Teilnehmerzahlen sind mit jedem Programm gestiegen. Sehr gut aufgenommen wird auch die Einführung von Simultanübersetzungen, auch wenn wir sie uns nicht immer leisten und an jedem Ort anbieten können. Wir versuchen es aber. Das Jahr beende ich also mit viel Hoffnung und sehr zufrieden. Ich kann Ihnen auch sagen, dass unsere Finanzen für 2019 größtenteils wiederhergestellt sind.
Gab es Fehler bei der Gründung der Akademie?
Oh ja. Der größte ist die ganze „lokal/international“-Debatte. Unsere Akademie wurde von der Stadt gegründet, sie ist also kein Naturwuchs, sondern wurde aufgesetzt. Dass die Menschen damit nichts zu tun hatten, bringt eine Unpopularität mit sich und war ein Fehler. Jeder sagte: Wir haben nicht genug Geld und was soll das für eine Akademie sein, die das ganze Geld bekommt? Das verstehe ich bestens und ich empfinde es als Künstlerin genauso. Die Künste haben immer zu wenig Geld, und wenn dann noch mehr Leute sich eine Scheibe abschneiden, sehen die anderen das nicht so gern. Das andere Problem ist unser Name „Akademie der Künste der Welt“: Den finde ich absurd. Keine Institution kann sich um alle Künste kümmern und erst recht nicht um die ganze Welt. Es ist mir geradezu peinlich, wenn die Leute mich fragen: „Also wie heißt denn die Institution?“ Das versuche ich zu vermeiden, denn die fragen gleich zurück: „Die was? Sie arbeiten für die Welt?“
Können Sie das nicht ändern?
Doch, ich hoffe schon, in meinem ersten Jahr ging es noch nicht, aber jetzt bei der Verlängerung um weitere zwei Jahre werde ich dafür kämpfen: Können wir nicht einen bescheideneren Namen bekommen, der nicht so arrogant klingt? Wegen des Namens haben wir auch ein Mandat, Internationalismus nach Köln zu bringen. Das liegt an einem Minderwertigkeitskomplex Kölns gegenüber München und Berlin, nehme ich an. Daraus ist die Akademie entstanden. Aber die Kölner sagen: „Die hat nichts mit uns zu tun, das ist doch alles auf Englisch, Französisch oder Arabisch.“ Ich selbst denke, dass Köln sowieso eine sehr internationale Stadt ist.
Inwiefern?
Sie spricht nicht mit einheitlicher Sprache. Beim Herumgehen höre ich sehr unterschiedliche Sprachen, die ich nicht verstehe, mit ihrem eigenen Klang. Auch demografisch ist die Stadt sehr komplex, sie hat vorindustrielle Bevölkerungsteile sowie industrielle und postindustrielle mit einem hohen Anteil von Digital Natives. Bevor ich die Leitung bei der Akademie übernahm, war ich schon zu Forschungszwecken im Ruhrgebiet gewesen, unter anderem interessierte ich mich für postindustrielle Orte. Ich habe festgestellt, dass die Städte hier viele Schichten besitzen, auch wenn sie für jemanden aus Mumbai relativ klein sind!
Haben Sie ein konkretes Beispiel für solche Schichten?
Nehmen Sie Straßen wie die Keupstraße oder die Lichtstraße in Ehrenfeld. Die sind sehr alt und haben viele demografische Veränderungen mitgemacht, Veränderungen der Anwohnerschaft und der Geschäfte. Wenn wir ein Gebäude herausgreifen und untersuchen, wer da alles gelebt hat, erhalten wir ein sehr internationales Bild. Die Frage, was Internationalität mit den Kölnern zu tun hat und was die Akademie macht, will ich also so beantworten: Schauen Sie Ihr eigenes Haus an, Ihre Nachbarschaft, Ihre eigene Straße, wo Sie ins Café gehen – Internationalismus ist da und nicht in Syrien. Dann verstehen Sie auch, warum wir uns in Programmpunkten etwa mit Syrien oder Guinea-Bissau befassen. Wir müssen das Internationale im Lokalen und im Fernen entdecken. Da liegt auch der Bezug zu den Menschen hier. Die Stadt will allerdings, dass wir eine internationale, prachtvolle Institution sind. Die Leute sagen natürlich: „Warum sollen wir dahin? Eure Pracht könnt ihr behalten.“ (lacht) Das macht den Job schwierig.
Wie Sie sagen, gibt es in Köln viele Fremde und sie haben sich auch als Fremde bezeichnet. Was sieht man anders aus der Außenseiter-Perspektive?
Ich glaube nicht, dass ich schon genug weiß, um von einer eigenen Perspektive sprechen zu können. Ich versuche sie zu entwickeln. Allerdings muss ich eingestehen, dass ich es in den sieben Monaten hier noch nicht wirklich geschafft habe, die Hände auszustrecken. Ich bin wohl durchaus eine Außenseiterin und eine Person of Color, zugleich bin ich aber auch Leiterin einer westeuropäischen städtischen Institution. Ich mag farbig sein, aber der Job ist sehr weiß. Dadurch sehe ich auch weiß aus. Klar, als Farbige bringe ich natürlich etwas mit und als Künstlerin, aber ich habe die Frage, wie man Außenseiter wie die Migrantengemeinschaften dazu holt, noch nicht befriedigend lösen können, da müssen wir weiter dran arbeiten.
Warum ist das so schwierig?
Ein Faktor ist, dass wir mit unserem Büro und dem Academyspace geografisch in einer sehr „weißen“ Gegend angesiedelt sind. Wir sind nicht Teil von Kalk oder Mülheim, sondern da müssen wir hingehen. Und dann sollte es nicht so aussehen, als würde die Akademie diese Orte kolonisieren, wenn wir z.B. kleine Projekte in der Keupstraße hätten. Darum gehen wir eben nicht dorthin, sondern arbeiten mit den Menschen vor Ort. Aber wir haben wie gesagt in den ersten sieben Monaten noch keinen Durchbruch erreicht. Wirklichen Fortschritt haben wir allerdings mit anderen Kunst-Institutionen gemacht. Mit der freie Szene, Kunstgalerien, Literaturvereinen und so weiter haben wir uns anfreunden können. Insbesondere hat uns die Geste geholfen, das erste Programm auf dem Ebertplatz zu eröffnen. Das war sehr bedeutungsvoll für uns und unsere Beziehungen. Was Migranten und postmigrantische Gruppen angeht, brauchen wir eine ähnlich sichtbare Geste.
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