Wenige Themen sorgen zwischen Kindern und Kino für derartigen Zündstoff wie die Altersfreigaben von Spielfilmen. Denn in der Regel will die vornehmlich männliche und minderjährige Zielgruppe vor allem von den verbotenen Früchten naschen. Wer kennt nicht aus seiner eigenen Jugend den unstillbaren Reiz des verbotenen Films ab 16, besser noch ab 18 Jahren?
Geschichte und Verfahren
Die FSK Freiwillige Selbstkontrolle wurde 1949 als die erste filmwirtschaftliche Institution der jungen Republik in Wiesbaden gegründet. Die Filmwirtschaft wollte nach der zuletzt staatlichen Einflussnahme der Reichsfilmkammer selbst das Regelwerk zur Prüfung von Filmen hinsichtlich ihrer sittlichen Eignung von Minderjährigen schaffen. Rechtliche Grundlage liefert mittlerweile das Jugendschutzgesetz, in dessen § 14 die Altersfreigaben festgelegt sind. Die aus freiwilligen Prüfern aus gesellschaftlich relevanten Gruppen bestehenden Gremien prüfen die Filme und vergeben die Freigaben in bis zu drei Instanzen. Dieser Prüf-Akt ist zwar freiwillig, für die Vermarktung der Filme im Kino aber praktisch unverzichtbar. Denn auch der ohnehin nur für Erwachsene gedachte Horrorfilm kann darauf nicht verzichten. Zum einen wird von einem Teil des Publikums die Freigabe ab 18 (oder keine Jugendfreigabe) als besonderes Qualitätskriterium angesehen – Filme wie HOSTEL oder SAW wären mit Freigaben ab 16 Jahren nicht erfolgreich zu vermarkten. Zum anderen dürfen Filme ohne FSK-Freigabe nicht beworben werden und – was noch schwerer wiegt: die Kinotickets müssen mit 19% Mehrwertsteuer abgerechnet werden; üblich ist das kulturell bedingte Mwst.-Privileg von 7%.
Bedeutung heute
Neben dem jugendschützerischen Aspekt hat die Freigabe einen erheblichen Einfluss auf die Vermarktung der Filme. Denn gerade bei Filmen für ältere Kinder (bis 13 Jahre) und jüngere Jugendliche (ab 14 Jahre) ist die passende Freigabe entscheidend für einen entsprechenden Erfolg. „Harry Potter und die Kammer des Schreckens“ wurde 2002 erst nach Schnittauflagen, also dem Entfernen von beanstandungsbedürftigen Szenen, die Freigabe ab 6 Jahren eingeräumt. Ab 12 Jahren hätte der Film ein deutlich schlechteres Ergebnis an der Kinokasse erreicht. Bis zum April 2003 waren die Altersfreigaben auch absolut verbindlich. Danach wurde eine enorme Erleichterung umgesetzt, die in vielen Ländern schon lange erprobt war und auch der elterlichen Aufsicht im privaten Medienkonsum entsprach: die Parental-Guidance-Regelung. Danach dürfen 6- bis 11Jährige in Begleitung ihrer Eltern, und zwar nur ihrer Eltern, Filme ab 12 Jahren sehen. Die Begrenzung auf die Eltern ist in der Praxis als Regel weder überprüf- noch durchsetzbar, weshalb Jugendschützer, Kinos und Verleiher beim Gesetzgeber darauf drängen, beispielsweise auch andere erwachsene Familienmitglieder, Lehrer oder andere die Kinder betreuende Personen mit einzubeziehen. Ebenfalls auf der Reformwunschliste steht die Neuordnung der Altersklassen. Entwicklungspsychologisch können die Klassen ab 6, 12, 16 und 18 als nicht mehr zeitgemäß angesehen werden. Die Einziehung einer weiteren Klasse 9 oder 10 bzw. die Neuordnung auf 6, 10, 14 und 18 hat viele Anhänger. Problematisch sind dann nur die ganzen Alt-Freigaben, von denen es weit über 100.000 gibt. Bis dahin wird es dann noch öfter heißen: Ohne Ausweis kann ich dich nicht reinlassen. Denn Kinobetreiber, die die Freigabe systematisch unterlaufen, können mit Geldbußen von bis zu 50.000 € belangt werden.
Im kommenden Monat werfen wir einen Blick auf die deutsche Filmförderung.
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