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Interkultur statt Integration

01. September 2009

Mark Terkessidis über die Akademie der Künste der Welt, das konservative Kölner Publikum und Qualitätskriterien für die kommunale Kulturpolitik - Thema 09/09

choices: Herr Terkessidis, die FC-Fans singen „Wir sind alle multikulturell“. Sind das auch Kölns Kulturinstitute?
Mark
Terkessidis: Leider nein. Personen mit Migrationshintergrund sind im Kulturbereich erstaunlich abwesend. Dabei machen sie etwa ein Drittel der Bevölkerung aus, Tendenz steigend. Es ist schlicht undemokratisch, wenn Kultursubventionen nur Leuten zugute kommen, die bereits als „Bildungsbürger“ auf die Welt gekommen sind. Die Kulturinstitute brauchen eine interkulturelle Öffnung.

Die „Akademie der Künste der Welt“ soll jetzt die interkulturelle Plattform für fast alles und jedes werden. Wird die Akademie nicht mit zu vielen Aufgaben überfrachtet?
Der Geburtsfehler der Akademie ist: Der Ratsbeschluss verlangt von ihr alles. Das ist gar nicht zu leisten, aber durchaus typisch für die heutige Zeit – vor allem, wenn es um Migration geht. Kultur soll möglichst nichts kosten, im Ehrenamt geleistet werden und dann noch quasi sozialtechnologische Aufgaben übernehmen. Zudem ist die Akademie eine Art Sonderagentur. Das birgt immer die Gefahr in sich, dass die anderen Institute glauben, entsprechende Öffnungsprozesse einfach delegieren zu können. Nach dem Motto: Die Akademie wird’s schon richten. Tatsächlich gibt es bislang keinen Auftrag an die kommunale Kultur, sich interkulturell zu öffnen. Für mich war auch interessant, dass Kulturdezernent Georg Quander sich kaum um die Akademie gekümmert hat. Irgendwann hat er dem Initiativkreis genau einen Termin zu einer bestimmten Uhrzeit bei sich im Büro „angeboten“. Da musste ich wirklich lachen. So kann man im Jahr 2009 keine sinnvolle Kulturpolitik betreiben.

Gibt es Qualitätskriterien für die kommunale Kulturpolitik?
Sicher gibt es die. Man darf die Öffnung zur Interkultur nicht als pädagogisches Schwarzbrot sehen, sondern als Herausforderung an die Kreativität. Die Stadt München z.B. hat die Richtlinien der Kulturförderung so geändert, dass Interkultur berücksichtigt wird. Grenzüberschreitung, Stärkung der kulturellen Vielfalt und Auseinandersetzung sind grundsätzliche Kriterien, die in Zeiten der Globalisierung eine Rolle spielen müssen. Harmonie ist nicht innovativ.

Die Initiatoren der „Akademie“ beklagen, dass in der Vergangenheit viele wichtige Diskussionen an Köln vorbeigegangen sind.
Das habe ich nicht geschrieben. Aber im Vergleich zu den frühen 1990er Jahren ist die heutige Kultur in Köln provinzieller geworden. Damals gab es etwa über die Kunstszene einen permanenten internationalen Austausch. Diese Szene ist abgewandert. Zudem gibt es in Köln ein sehr konservatives Publikum, das auf der Erfüllung sehr traditioneller Formen von Hochkultur beharrt.

Gibt es für diese Provinzialisierung eine Erklärung?
Ein großer Teil der interessanteren Kulturproduktion hat in Köln lange Zeit ohne viele Berührungspunkte neben den kommunalen Kulturinstituten und -kanälen existiert, etwa in Kunst und Musik. Als der Exodus nach Berlin begann, reagierte die städtische Seite nicht rechtzeitig, anstatt strategisch einzuspringen. Im Falle von c/o pop zeigt sich aktuell, was man dabei erreichen kann. Man muss aber insgesamt deutlich konzeptioneller vorgehen.

Ist die Forderung nach „Integration“ angesichts der kulturellen Vielfalt in der Gesellschaft überhaupt auf der Höhe der Zeit?
Mir gefällt der Begriff Integration nicht, weil er in Deutschland fast immer normativ aufgeladen ist. Die „Defizite“ der anderen sollen in einem Sonderbereich durch kompensatorische Maßnahmen beseitig werden, das hat schon vor 30 Jahren nicht geklappt. Den Begriff Interkultur finde ich besser. Die Kinder unter 6 in den großen deutschen Städten haben mehrheitlich einen Migrationshintergrund – Interkultur geht alle an. Es braucht eine Politik, die sich auf unterschiedliche Voraussetzungen einstellt, und die dafür sorgt, dass die Individuen ihr Potential ausschöpfen können – egal, welchen Hintergrund sie haben.

PETER HANEMANN / WOLFGANG HIPPE

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