Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

„Nō Nō Nō – Tücken und Abgründe des Amerikanischen Traums“
Foto: Christian Säuberlich / photocase.de

Gelebtes Emoticon

22. Februar 2018

Theaterpremieren im April – Prolog 03/18

Freundlichkeit ist der Pawlow-Reflex der Dienstleistungsgesellschaft. Je mehr Callcenter, desto mehr aufgeputzte Dienstfertigkeit. Man kann sich vor akustischen Grimassen kaum noch retten. Teflongesichter der Freundlichkeit wünscht sich auch Olivia, die Filialleiterin des neuen „Nō Nō Nō“-Supermarkts. Das erfordert allerdings ein konstantes Training des Personals. Die Dauerverzerrung der Gesichtszüge als Normalität erscheinen zu lassen, gehört zur großen Kunst mimischer Konditionierung. Nur so, glaubt Olivia, lässt sich das ultimative Konsumparadies aus der Taufe heben. Gavin Quinn vom Pan Pan Theatre ist inzwischen schon ein regelmäßiger Gast am Theater Bonn. Nach „Schöne neue Welt“ und „Der Sturm“ erarbeitet er nun erstmals mit dem Ensemble ein eigenes Stück. Unter dem Titel „Nō Nō Nō“ macht er sich am Theater Bonn sarkastische Gedanken über die Absurdität der Konsumgesellschaft.

Wenn sich die Maske der Freundlichkeit dann festfrisst, die Selbsttäuschung sich einfräst in die Gesichtszüge, kann das Überleben in der Gesellschaft beginnen. April und Frank leben mit ihren Kindern in einem amerikanischen Suburb-Shithole der 1950er Jahre. Das Duo ist irgendwann einmal in dieser Kleinbürgerhölle gestrandet. Er ist Angestellter, sie Hausfrau, doch beide halten sich für etwas Besseres, träumen von einem anderen Leben. Das hohle Codewort dafür lautet „Paris“. Frank hält sich für einen Sartre-Avatar und träumt von einem intellektuellen Leben, April dagegen fantasiert von der Schauspielerei – beide übertünchen aber damit nur ihr eigenes spießiges Leben. Richard Yates‘ 1961 veröffentlichter Roman „Zeiten des Aufruhrs“ ist eine beißende Analyse, die nicht nur den American Way of Life verteufelt, sondern auch die ironische Selbstdistanzierung als unabdingbaren Teil des Systems entlarvt. Mehr Tristesse geht nicht. Die Acting Accomplices unter Regisseur Thomas Ulrich bringen Yates in der Orangerie auf die Bühne.

Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, ist Flexibilität gefragt. Die Freundlichkeitsgrimasse wendet sich wie die Wetterfahne dahin, woher der Wind des Geldes weht. In Ödön von Horváths Hotel „Zur schönen Aussicht“, das Sebastian Kreyer am Theater Bonn inszeniert, gibt es schon lange nichts mehr zu sehen. Keine Gäste außer der Baronin, die den Niedergang von Hoteldirektor Strasser, samt Kellner Max und Chauffeur Karl jedoch nur verzögern kann. Trotzdem klammert man sich aneinander – bis Christine sich einlogiert. Die frühere Geliebte Strassers ist auf der Suche nach dem Vater ihres Nachwuchses, stößt aber auf eine hämische Mauer der Verweigerung. Keiner will sich die Unterhaltszahlungen aufbürden – bis bekannt wird, dass Christine eine Erbschaft gemacht hat. Plötzlich wird die als Hure geschmähte Mutter zum Objekt der Begierde und die Freier stehen freundlich Schlange.

„Nō Nō Nō – Tücken und Abgründe des Amerikanischen Traums“ | R: Gavin Quinn | 12.4.(P) 20 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08

„Zeiten des Aufruhrs“ | R: Thomas Ulrich | 27.(P), 28.4. 20 Uhr, 29.4. 18 Uhr | Orangerie | 0221 952 27 08

„Zur schönen Aussicht“ | R: Sebastian Kreyer | 20.(P), 25.4. 19.30 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Civil War

Lesen Sie dazu auch:

Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24

Wohin die Assoziationen führen
„Treibgut des Erinnerns“ in Bonn

Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24

Musik als Familienkitt
„Haus/Doma/Familie“ am OT – Theater am Rhein 03/24

Falle der Manipulation
„Das politische Theater“ am OT – Theater am Rhein 02/24

„Wir wollten die Besucher:innen an einem Tisch versammeln“
Subbotnik zeigt „Haus / Doma / Familie“ am Orangerie Theater – Premiere 02/24

Radikaler Protest
„Ein Mensch ist keine Fackel“ in der Orangerie – Theater am Rhein 01/24

Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24

Mörderische Gesellschaftsstruktur
Georg Büchners „Woyzeck“ am Bonner Schauspiel – Auftritt 01/24

Was ist hinter der Tür?
„Die Wellen der Nacht …“ in der Orangerie – Theater am Rhein 12/23

Der unfassbare Gott
Oper Bonn zeigt Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ – Oper in NRW 12/23

„Ein interdisziplinäres großes Theaterhaus für die Stadt“
Die Dramaturgin Stawrula Panagiotaki übernimmt die Leitung der Studiobühne – Premiere 11/23

Bühne.

Hier erscheint die Aufforderung!