Die Nord-Süd-Bahn, der Mediapark, das Dach der Philharmonie – wer in Köln Beispiele für planerische Fehlleistungen finden will, muss nicht lange suchen. Mittlerweile füllen die Abhandlungen über Klüngel und Inkompetenz zu Ungunsten der Kölner Bürger mehrere Bücher und noch mehr Büttenreden. Aber manchmal haben die Kölner die Fehlplanungen auch ins Herz geschlossen. Der Festungsring, der nach dem 1. Weltkrieg zu Grünanlagen umgewandelt werden musste, war im 19. Jahrhundert errichtet worden, um Angriffe auf die Stadt durch Fußtruppen und Artillerie zu verhindern. Das einzige Problem: Bei der Planung hatten die Militärs die Weiterentwicklung der Kanonentechnik nicht im Blick. Während die Forts gebaut wurden, hatten sich die Kanonen so weit verbessert, dass sie problemlos ihre Geschosse über die Festungsanlagen in die Stadt hätten feuern können. Damit hatten die Forts einen Teil ihrer Schutzfunktion schon verloren, als sie mit den ersten Soldaten bemannt wurden. Heute sind sie ein beliebtes Ausflugsziel.
Auch der Gürtel, der im Norden in Mauenheim auf einmal an einer Bordsteinkante endet, sollte eigentlich bis an den Rhein fortgeführt werden. Stattdessen kann man dort jetzt unterhalb der Hochbahn über eine Wiese schlendern. Und noch weiter nördlich bietet sich an der Grenze zwischen Weidenpesch und Longerich ein famoser Blick über ein paar Freiflächen, der nur deshalb nicht verbaut ist, weil in einem weit zurückgehenden Bebauungsplan für das Gebiet eine mehrspurige Straße vorgesehen ist, die niemals realisiert wurde.
Die Stadt wird beim Spazierengehen neu vermessen
Der Stadtführer Frank Dommert stellt auf seinen Radtouren solche und ähnliche Planungsunfälle vor und beschreibt, wie sie sich auf den Alltag auswirken. „Mein Lieblingsbeispiel ist die Deutzer Auffahrt auf die Severinsbrücke“, erzählt er. Für Fußgänger ist es sehr umständlich, auf den vorgesehenen Wegen auf die Brücke zu gelangen, weil gewundene Aufgänge lange Fußwege erfordern. „Deshalb existiert um die Brücke herum ein richtiges Labyrinth an Trampelpfaden.“ Denn gerade weil Köln jahrelang seine Fußgänger als Verkehrsteilnehmer benachteiligt hat, suchen sich diese ihre eigenen Wege – ganz so, wie es der Kulturwissenschaftler Michel de Certeau beschreibt. Die Stadt wird im Laufen und Spazierengehen potentiell neu vermessen. Denn die meisten Planungsfehler liegen im Detail: eine falsch platzierte Ampel, eine unsinnige Verkehrsführung. Wer vom Dom zur Imbisskette mit den güldenen Bögen will, ignoriert zwei Ampeln und läuft, wenn es der Verkehr zulässt, geradeaus über die Trankgasse. Und wenn am Ende der Schildergasse der Glühweinstand auf dem Neumarkt lockt, ist die Abkürzung über den Taxistand halt die effizientere Alternative zur Unterführung. So sehen sie aus, die sichtbarsten Spuren der Kölner Planungsfehler: eine braungetrampelte Grasnarbe und Stellen, an denen Taxifahrer langsam fahren, obwohl sie nicht müssten.
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Teil 1: Leitartikel – Wer Kunst und Kultur beschneidet, raubt der Gesellschaft entscheidende Entwicklungschancen
„Mich hat die Kunst gerettet“
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