
The Look of Love
GB 2013, Laufzeit: 99 Min., FSK 16
Regie: Michael Winterbottom
Darsteller: Steve Coogan, Anna Friel, Stephen Fry, Imogen Poots
>> www.thelookoflove-film.de/
Gelungen bebildertes Portrait
Darstellende Kunst
„The Look of Love” von Michael Winterbottom
London, 1958: Nach ersten Bühnenerfahrungen als Wahrsager erkennt Paul Raymond, was Männer wünschen, und eröffnet in Soho die „Revue Bar“. Ein Strip-Club, auf dem der Entertainer sein künftiges, rasch wachsendes Imperium gründet. Und seinen Reichtum, den er in Immobilien und in Erotik-Magazine investiert. Regisseur Michael Winterbottom („24 Hour Party People“, „Wonderland“) schenkt dem britischen Dandy, der 2008 starb, ein filmisches Portrait, Steve Coogan („Das Glück der großen Dinge“) übernahm die Rolle des Exzentrikers.
Mit seinem Erfolgsrezept distanzierte sich Raymond vom anrüchigen Hinterhof-Strip und legte in seinen Shows stattdessen Wert auf Stil und Hochglanz. Er verstand seine Arbeit als Darstellende Kunst, seine Stripperinnen sollten sich nicht nur verführerisch bewegen. Raymond wollte mehr als Schau, er wollte Schauspiel. Winterbottom überträgt dieses Konzept gelungen auf seinen Film: Seine Reise durch die Jahrzehnte, die Inszenierung der Shows, das Treiben auf und hinter den Kulissen, all das ist ebenso gepflastert von Glanz und Stil wie von Haut und Brüsten – angesiedelt zwischen schwungvollem Drama und menschlicher Tragödie, zwischen Traum und Albtraum. Denn so erfolgreich und vermögend Raymond war, so sehr scheiterte er als Privatmensch. Aufgrund seines jähzornigen, egoistischen Lebenswandels zerbrechen seine Beziehungen (Anna Friel, Tamsin Egerton), seine Tochter (Imogen Poots), die sich als Jugendliche auf einer seiner Bühnen ausprobiert, stürzt ab. Zurück bleiben Scherben, Tränen und ein uneinsichtiger Millionär.
Genug Stoff für ein bewegendes Drama. Michael Winterbottom jedoch konzentriert sich in erster Linie auf die Darstellung des Milieus und des Lebensgefühls rund um seinen prominenten Tunichtgut. Raymond hinterlässt schmerzhafte Spuren, doch wirklich berühren tut das Ganze am Ende nur wenig. Das könnte man auf die blasse Charakterisierung der Protagonisten zurückführen. Aber Paul Raymond mag so oberflächlich gewesen sein, resistent gegen die Läuterung. Das Drama hält sich nicht auf mit Einblicken in Raymonds Seele oder in die Wurzeln, die den Mann formten, der er wurde. Die Abgründe verschwimmen vielmehr hinter der großen Blase namens Show und Revue. Diese Blase bebildert Winterbottom souverän: Stilsicher reist er durch das illustre Leben und Treiben eines Mannes, der die Showlandschaft revolutionierte, der Tabus aufweichte, der Stripclubs gesellschaftsfähig machte, und der England weniger prüde hinterließ. Der Film folgt seiner koksenden Spürnase, die zur rechten Zeit am rechten Ort den Erfolg witterte und dabei frech die Zensur umging. Eine Achterbahnfahrt durchs gelungen inszenierte Zeitkolorit. Steve Coogan verkörpert seinen Part grandios, ob mit Schnurrbart oder Günter-Netzer-Frisur. Ein Blender und Geblendeter zugleich, der die Augen verschließt vor den Abgründen seines Handelns.
(Hartmut Ernst)

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