Narren
Deutschland 2019, Laufzeit: 97 Min., FSK 0
Regie: Sigrun Köhler, Wiltrud Baier
>> www.narren-film.de
Einblicke in die schwäbisch-alemannische Fastnet
Hu hu hu!
„Narren“ von Sigrun Köhler und Wiltrud Baier
In jedem Jahr am 6. Januar beginnt in Rottweil die Fasnet. Drei Jahre lang folgen die Filmemacherinnen Sigrun Köhler und Wiltrud Baier dem schwäbisch-alemannischem Treiben und verdichten ihre Eindrücke in diesem ebenso unterhaltsamen wie lehrreichen Film, der anmutig ins Geschehen eintaucht: Anders als andernorts, wo in der Millionenstadt das Groß der Masse im Wegwerf-Kostüm kölschtrunken durch die Gassen fällt und wo auf Straßenzügen frech Kritik geübt wird an der Politik, ist man in Rottweil, fernab moderner Schmäh, eisern rückwärtsgewandt, streng der Tradition verpflichtet und verkleidet mit handgeschnitzter Maske und aufwendig genähtem Kostüm.
Die alteingesessene Narrenzunft hat die 25.000-Einwohner-Stadt fest im Griff, doch – auch das bezeugt die Doku: Es besteht Grund zur Sorge! Davon erzählt die Ausschuss-Sitzung des Vereins, in der die Männerschaft dringenden Handlungsbedarf feststellt. Denn: „Es narrt nicht mehr!“ Der Fasnet-Tourismus nimmt spürbar Überhand, es sind der Narren zu viele, zudem schleichen sich Kostüm-Plagiate in den Markt oder, noch schlimmer: echtes Kostüm wird an Touristen verscherbelt! „Wir müssen auf Qualität achten von Kostüm und Narr!“, stellen Narrenmeister, Zunftschreiber und Zunftsäckelmeister einvernehmlich fest. Was sie auch noch so feststellen: Gut, dass keine Frauen im Verein sitzen. Werden sie gefragt, warum das gut ist, heißt es: „Des is so.“ Und außerdem haben die Frauen eine andere Gesprächskultur, die dann „nimmer so zielführend wäre“. Ja, auch das ist Fastnet. Und doch berührt es uns. Wenn Kinder durch die Straßen peitschen oder wenn der Bettelnarr Gabe und Geld sammelt und es dem 90-jährigen Ömchen ins Altersheim bringt.
Eine Doku, die gerade auch aus der Perspektive anderer Hochburgen närrischen Treibens einen besonderen Reiz entfaltet. Vor allem aber ein aussagekräftiger Einblick in die Provinz, in Tradition und Handwerk, in Seilschaft und Gemeinschaft. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Und sie ist es nicht. Wie überall. Mit und ohne Karneval. Alaaf!
(Hartmut Ernst)
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