
Evolution
Ungarn, Deutschland 2021, Laufzeit: 97 Min., FSK 12
Regie: Kornél Mundruczó
Darsteller: Lili Monori, Annamária Láng, Goya Rego
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Episodisches Drama über jüdische Identität
Ich will leben!
„Evolution“ von Kornél Mundruczó
Drei Blicke ins Leben. Drei Momente.
Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Drei Soldaten der Roten Armee reinigen eine Gaskammer, durchleben das geschehene Grauen – und erfahren ein Wunder.
Gut sieben Jahrzehnte später. Die Auschwitzüberlebende Eva wohnt in Budapest. Ihre Tochter Léna will sie zu einer Zeremonie begleiten, in deren Folge Eva eine Opfer-Entschädigung erhalten soll. Eva äußert ihren Widerwillen, es entsteht ein Streit zwischen Mutter und Tochter. Über das Verhältnis zu Deutschland, zur eigenen Geschichte, zum Erbe familiärer Tragödien. Übereinander.
Berlin. Léna lebt gemeinsam mit ihrem Sohn Jonás in einer Altbauwohnung. Der Teenager wird gemobbt. Und wirft ein Auge auf seine muslimische Mitschülerin. Nach einem Feueralarm in der Schule, telefoniert die Lehrerin mit Léna – und scheitert in ihrer diplomatischen Bemühung.
Die ungarische Drehbuchautorin Kata Wéber schöpft aus der eigenen Biografie, und nicht unerheblich aus der ihrer Mutter. Daraus entsteht ein episodisches Drama, das eine jüdische Familie über drei Generationen begleitet. Auf Selbstfindung, auf Identitätssuche, auf Vergangenheitsbewältigung und in der alltäglichen, gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der jüdischen Identität. Das Drama wurde von Kornél Mundruczó vor wenigen Jahren bereits auf der Ruhrtrienale als Musiktheater-Stück inszeniert. Jetzt komponiert der Regisseur daraus ein filmisches Triptychon für die Leinwand. Drei Szenen, eine jede davon ohne sichtbaren Schnitt. Drei intensive Plansequenzen. Klug vereint Mundruczó intellektuellen Diskurs mit surrealen Momenten. Um auch ein Gefühl auszudrücken, wenn die Worte fehlen.
Schon zu Beginn verschlägt es einem den Atem. Wenn drei Männer das Gemäuer schrubben und auf Spuren des Grauens stoßen. Es fällt kein Wort in diesem Verließ – und tatsächlich sind es in allen drei Episoden die stummen Szenen, die den starken emotionalen Akzent setzen. Anders als in der Gaskammer, gestaltet sich die Unterhaltung zwischen Mutter und Tochter wortschwer. Ein intensives Kammerspiel. Hier tritt der Diskurs klar zu Tage zwischen einer „Überlebenden“, ihrer Tochter – und der Vergangenheit: „Ich will keine Überlebende sein. Ich will leben!“ Getragen wird der Diskurs von den beiden großartigen Darstellerinnen Lili Monori (*1945) und Annamária Láng, die vor einer Kamera (Yorick Le Saux) agieren, die das Spiel der Akteurinnen anmutig und frei schwebend einfängt. Meisterlich.
Auch in der finalen Episode kreist die Kamera ohne Grenzen zwischen Himmel und Erde. Auch die zwei jugendlichen Darsteller (Goya Rego, Padmé Hamdemir) stemmen die Intensität und Konzentration der langen Einstellung. Die finale Episode ist im Alltag angesiedelt und mag profaner erscheinen. Hier gibt es weder Wunder noch magischen Moment. Und doch ist die finale Szene dieser Sequenz – und des gesamten Films – so schlicht wie stark, und doch magisch.

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