
Ein ganz gewöhnlicher Held
USA 2018, Laufzeit: 119 Min., FSK 6
Regie: Emilio Estevez
Darsteller: Emilio Estevez, Jena Malone, Taylor Schilling
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Tragikomödie über rebellierende Obdachlose
Ziviler Ungehorsam
„Ein ganz gewöhnlicher Held“ von Emilio Estevez
Für die, die es nicht (mehr) wissen: Emilio Estevez ist der große Bruder von Charlie Sheen. In den 80ern Jungstar in Hollywood als Young Gun oder Breakfast Clubber, kommt 1990 seine zweite Regiearbeit „Men at Work“ auch in unsere Kinos: Er und Charlie als zwei Jungs von der Müllabfuhr, die gegen einen Unternehmer vorgehen, der illegal Giftmüll entsorgt. Eine Actionkomödie mit grünem Daumen und gesellschaftskritischer Nuance. Grundsätzlich macht sich Estevez seit den 90er Jahren verhältnismäßig rar. 2006 liefert er mit „Bobby“ ein Gesellschaftsportrait aus der Kennedy-Zeit, vier Jahre später spaziert er in „Dein Weg“ mit Papa Martin Sheen den Jakobsweg ab. Jetzt ist Estevez 59 und dreht einen Spielfilm über Men without Work. Um Obdachlose geht es hier, und um verantwortungslose Politiker, die den Menschen ohne Bleibe selbst in knackig kalten Zeiten keine Notunterkunft bieten. Hier in Cincinnati stehen die Obdachlosen schon früh morgens Schlange vor der Bibliothek und warten darauf, dass ihnen Stuart (Estevez) die Türen öffnet. In der Bibliothek ist es warm, auf der Toilette können sie sich körperhygienisch grundversorgen. Stuart kommt gut klar mit ihnen. An diesem Tag allerdings wollen die Obdachlosen die Bibliothek nicht verlassen. Damit nicht wieder einer der ihren erfriert draußen in der kalten Nacht. Stuart zeigt Verständnis. Das Bibliotheks-Management und ein konservativer Bürgermeisterkandidat (Chritian Slater) hingegen sind anderer Ansicht. Die Medien rücken an, die Polizei ist vor Ort, die Lage eskaliert.
Estevez konnte für sein engagiertes Projekt so manche Stars und Freunde aus den 80ern vor der Kamera vereinen: Christian Slater als gewissenloser Politiker, Alec Baldwin gibt einen Polizisten, dessen Sohn auf der Straße gelandet ist, Jeffrey Wright verkörpert einen zerrissenen Bibliotheksmanager. Ein Herzensprojekt für eine gute Sache. Und mit einer ordentlichen Portion naiven Gutmenschencharmes. Estevez will anprangern, und dazu nutzt er auch mal den Holzhammer. „Die Bösen“, vom Politiker bis zu den Medienvertretern, sind durchweg stereotyp gezeichnet: gerissen, eitel, inkompetent und erfolgreich. Stereotypen finden sich anfangs auch unter den Obdachlosen, die überwiegend als liebenswert bemackte Kauze skizziert sind: einer heißt Caesar und glänzt als weltentrückter Faktennerd, ein anderer tanzt nackt vorm Bibliotheksfenster, der nächste glaubt, die Regierung hätte ihn dereinst einen Laser-Chip implantiert, durch den er mit dem Blick Menschen töten könnte. Das hat komödiantische Qualität, kollidiert aber mit dem grundsätzlichen Ansinnen dieses Dramas: der Empörung. Das hat Estevez wohl auch irgendwann gemerkt, und so dürfen seine Homeles People später noch einmal ganz bodenständig davon erzählen, dass sie immer Steuern gezahlt und eine Familie gehabt hätten, bis dann eines Tages der Job weg war. Wiederholt erfahren wir, dass Veteranen unter ihnen sind, die dem Land gedient haben, das sie heute fallen lässt. Da ist einer dieser Holzhämmer.
Zu Beginn des Films drückt Stuart einem Obdachlosen ein paar Dollarnoten in die Hand uns sagt ihm, er solle sich dafür etwas Vernünftiges zum Anziehen kaufen. Der erwidert, warum sich Stuart anmaße zu wissen, was er brauche. Stuart knickt ein, der Obdachlose fängt lauthals an zu lachen. Nun, man könnte die Frage auch Estevez als Regisseur stellen, der sich hier für die Obdachlosen stark macht, der fordert, wovon er meint, sie würden es fordern. Aber vielleicht sind wir da zu kleinlich. Vielleicht sollte man das Ganze nicht zu ernst nehmen. Und so sind wir nicht ganz sicher, ob wir am Ende die Augen rollen oder schmunzeln sollen und entscheiden uns für Letzteres. Es ist ja gut gemeint.
Zur besseren Einordnung sei dem Besucher vorab der Dokumentarfilm „Ex Libris – Die Public Library von New York“ ans Herz gelegt, die anschaulich die soziokulturelle Ausrichtung amerikanischer Bibliotheken darlegt.
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