
Die My Love
Kanada 2024, Laufzeit: 118 Min., FSK 16
Regie: Lynne Ramsay
Darsteller: Jennifer Lawrence, Robert Pattinson, Lakeith Stanfield
Drama mit Thriller-Elementen
Das Biest in uns
 „Die My Love“ von Lynne Ramsay
Drei Türrahmen, die ineinander übergehen und den Eindruck von ineinander geschachtelten Räumen erzeugen: Das erste Bild in Lynne Ramsays neuem Film gibt einen Vorgeschmack auf das, was einen in den folgenden zwei Stunden erwartet. Es schafft die Illusion von Zwischenräumen, die neben dem vermeintlich Offensichtlichen existieren, und wirft die Frage auf: Durch welchen Rahmen wollen wir das Geschehen betrachten?
Aus diesem Blickpunkt lernen wir im Schnelldurchlauf Grace (Jennifer Lawrence) und Jackson (Robert Pattinson) kennen. Wir sehen, wie die beiden ihr neues Haus im ländlichen Montana zum ersten Mal betreten, wie sie von Raum zu Raum gehen, aus dem Bild verschwinden und wieder auftauchen. Als die Kamera endlich ihre statische Position verlässt und auf die beiden zukommt, folgt die fieberhaft geschnittene Montage einer wilden Sexszene, von der wir direkt zu Graces Schwangerschaft springen – und von dort zu ihrem bereits sechs Monate alten Baby. Jackson lungert im Bademantel auf der Veranda und trinkt Bier, Grace pirscht auf allen Vieren durch das Gras, mit einem Messer in der Hand. Spätestens da wird klar, dass etwas nicht stimmt mit dem jungen Paar – und vor allem mit Grace. Ist das noch eine postnatale Depression, schon eine Psychose – oder schlicht der gewaltige Druck, der auf ihr lastet?
Es ist letztere Aussage, die Ramsay mit „Die My Love“ zu machen scheint: Wenn Grace wiederholt auf ihr Aussehen reduziert wird, ohne dass sich jemand dafür interessiert, wie es ihr wirklich geht. Wenn erwartet wird, dass sie funktioniert, einen Haushalt schmeißt und sich um ein Baby kümmert. Ramsay hat sich mit einem Sujet befasst, das medial nur wenig Aufmerksamkeit erfährt. Sie zeigt, wie absurd die gängige soziale Norm erscheint, nach einem solch einschneidenden Erlebnis wie einer Geburt direkt in einen Funktionsmodus zurückzukehren. Es ist eben dieser Rahmen abseits der Norm, durch den uns Ramsay an Graces Erfahrung der Mutterschaft teilhaben lässt.
In weiten Teilen funktioniert das: Ramsay verwendet eine Bildsprache, die ebenso verstörend wie betörend ist und dank des fieberhaften, sprunghaften Schnitts Graces psychischen Zustand widerspiegelt. Dazu zeigt Jennifer Lawrences Porträt der sich gekehrten und entgrenzten, müden und brachialen Grace einmal mehr, warum sie eine der erfolgreichsten Schauspielerinnen ihrer Generation ist. Auch Robert Pattinson vermittelt die Verzweiflung als überforderter Partner eindrücklich.
Am Ende sorgt das Drehbuch dafür, dass „Die My Love“ trotz überzeugender Bilder und Symbole nicht so einnehmend ist, wie er sein könnte. Durch die fragmentierte Handlung fehlt der Bezug zu Grace und Jackson als Individuen jenseits ihres animalischen Schmerzes. Auch die genormte Gesellschaft, angesichts derer Grace sich verliert, hätte mehr Raum bedurft, um ihre Entwicklung nachhaltig zu begründen.
(Marina Wudy)

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