Beuys
Deutschland 2017, Laufzeit: 107 Min., FSK 0
Regie: Andres Veiel
Darsteller: Joseph Beuys
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Dokumentarfilm-Collage mit aktuellem Bezug
Der Mann mit dem Haupthebel
„Beuys“ von Andres Veiel
Lesen Sie auch unser Gespräch zum Film mit Regisseur Andres Veiel.
Joseph Beuys betritt den Raum. Langer Wollmantel, zerknitterter Hut. Der Blick richtet sich auf die Kamera: „Ihr habt hier so richtig Hollywood, ne?“ Joseph Beuys setzt sich, blättert in einer Zeitschrift. Die Kamera in Großaufnahme auf seinem schmalen Gesicht stellt sich scharf. „Der anonyme Zuschauer ist dahinten, ne?“ Er schaut jetzt direkt in die Kamera. „Gute Leute haben da immer große Fähigkeiten entwickelt: Sie kommen in einen Raum und können sofort abschätzen, was sind die Fragen der Leute. Die inneren Fragen...“ Es ist ein abrupter Einstieg in diesen Film. Aber es ist ein guter Einstieg. Vermutlich sogar der Beste, wenn man wie Filmemacher Andres Veiel mehrere hundert Stunden Videomaterial gesichtet, Fotos und Audioaufnahmen nicht mitgerechnet. Denn diese erste Szene macht von Beginn an deutlich: Es geht Andres Veiel nicht darum, eine klassische Biographie nachzuzeichnen. „Beuys“ ist vielmehr eine assoziative Annäherung an einen Künstler, der für ihn Pate, Wegbegleiter und Sparringpartner war, wie er selber in Gesprächen zum Film erklärt.
In weiten Teilen gelingt Andres Veiel dieses Vorhaben auch. Der Film ist dann am besten, wenn er ganz bei sich ist. Was in diesem Fall bedeutet: ganz bei Joseph Beuys. Dem Künstler, dem Kritiker, dem Visionär. Der Fragen nach seiner Popularität mit Sätzen beantwortet wie: „Was soll man denn da sagen: Windstärke 12?“ Der sich selbst als Radikalen bezeichnet, aber den Begriff Künstler für sich ablehnt. „Es sei denn unter der Voraussetzung, dass wir alle Künstler sind.“ Der sich bei den Grünen engagiert und sich von ihrer Zurückweisung nie erholen wird. Doch diese erste Szene offenbart auch eine zentrale Schwächen dieses fast zwei stündigen Films: Als Zuschauer hat man häufig das Gefühl, weniger Joseph Beuys zuzuschauen als vielmehr dem Filmemacher Andres Veiel, der seine Version dieses Idols präsentiert. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die typischen Talking Heads, auf die Andres Veiel in seiner Collage leider nicht verzichtet. Doch jeder dieser Interviewtöne ist ein Bruch mit dem Archivmaterial, der den Zuschauer unsanft aus der ansonsten so kunstvollen Archivmontage reißt.
Wie es anders hätte funktionieren können, hat Thorsten Schütte vorgemacht, der sich in seinem faszinierenden Film „Frank Zappa – Eat That Question“ vollständig auf seinen Protagonisten verlässt. Wodurch dessen hoch aktuellen Gesellschaftsansichten umso wirkungsvoller werden. Sehenswert ist „Beuys“ dennoch. Wenn auch nicht wegen seiner Machart, sondern als Porträt eines Künstlers, der sich als einer der ersten für ein Kunstverständnis eingesetzt hat, auf dem heute die Arbeiten von Marina Abramovic genauso aufbauen wie die des Zentrums für Politische Schönheit. Denn „Kunst ist nicht dazu da, unsere Wohnungen zu dekorieren“, wie Joseph Beuys in Anlehnung an Pablo Picasso zitiert. „Sondern ist eine Waffe gegen den Feind.“
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