United in Diversity. Unter diesem Motto fasst die Europäische Union ihr Selbstverständnis zusammen. Es passt auch zum Ruhrgebiet: Seit Generationen leben hier Menschen unterschiedlichster geographischer und kultureller Herkunft beieinander.
Die junge Generation muss sich als nächste mit dieser Vielfalt auseinandersetzen. Genau hier setzt die Initiative Ruhrpott für Europa an. Sie soll junge Menschen animieren, selbst für die europäische Idee aktiv zu werden. Das mittlerweile fünfzehnköpfige Team sucht weiter nach Verstärkung.
Seit sieben Jahren ist Milad Tabesch in Klassenzimmern unterwegs, um mit Jugendlichen über Politik zu sprechen; zuerst im Auftrag der Schwarzkopfstiftung Junges Europa, später mit der selbst gegründeten Initiative Ruhrpott für Europa. Ohne vordergründige politische Parteinahme reiste der 27-jährige vor der Europawahl durch Klassenzimmer und gab Workshops über Europa und die Europäische Union. „Ich will sagen: Hey, ich bin so wie du. Ein bisschen lost, aber ich habe studiert und kann dir vielleicht helfen zu verstehen“, sagt Tabesch.
Auf Augenhöhe
„Ich bin ein Kind des Ruhrpotts durch und durch“, fährt Tabesch fort. Seine Eltern flüchteten aus Kabul. Sie kamen nach Bochum, wo Tabesch geboren wurde. 2016 begann er, Europäische Studien zu studieren, er hängte einen Master dran und studierte ein Jahr lang in New York. Dort kam ihm die Idee zu Ruhrpott für Europa.
„Erst einmal schieben wir alle Tische zur Seite. Unsere Diskussionen sollen auf Augenhöhe
stattfinden“, erklärt Tabesch. Die Lehrkraft verlässt für die zwei bis vier Stunden, die der Workshop dauert, das Klassenzimmer. „Wir wollen zeigen, dass wir cool sind und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger den Schüler:innen sagen, wie und wen sie wählen sollen“. Die Schüler:innen sollen politische Institutionen, Abläufe und Wirkungen verstehen lernen. Immer wieder lässt Tabesch auch persönliche Erzählungen in die Workshops einfließen, manchmal über seine Erfahrungen, manchmal über die seiner Eltern.
Angst vor Abschiebungsfantasien
Neben Fragen dazu, warum die Europäische Union überhaupt gegründet wurde und was ihre Funktion ist, bekommen Tabesch und sein Team immer auch Fragen zu aktuellem Geschehen. Nach der Enthüllung des Recherchekollektivs Correctiv über ein Geheimtreffen zwischen u.a. Politikern von AfD, Werteunion und österreichischen Rechtsextremisten äußerten die Schüler:innen Angst vor Abschiebungsfantasien von rechts. Auch der Nahostkonflikt wurde viel thematisiert. Milad Tabesch will den Schüler:innen ihre politischen Handlungsmöglichkeiten offenlegen. Eine davon ist wählen zu gehen und über die Zukunft Europas und Deutschlands mitzuentscheiden.
Ruhrpott für Europa organisiert auch den Diskussions-Podcast „Auf einen Cay zu Europa“. Vor der Europawahl wurden hier monatlich Experten aus Politik und Wissenschaft eingeladen, um über Europa zu diskutieren.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Auch nach der Europawahl geht es mit Ruhrpott für Europa weiter. Mit Unterstützung der Stadtwerke Bochum touren Milad und sein Team noch bis Ende des Jahres durch Klassenzimmer. Die Workshops sind weiterhin kostenlos. Und danach? „Ruhrpott für Europa soll bestehen bleiben. Es soll ein Forum von jungen Menschen für junge Menschen sein“, sagt Milad Tabesch. Was konkret damit gemeint ist verrät er noch nicht.
Im Ruhrgebiet gibt es bald ein Superwahljahr: Bundestagswahl, Kommunalwahlen sowie die Wahl zum Ruhrparlament fallen 2025 zusammen. Wie auch bei der Europawahl dürfen an der Kommunalwahl wieder alle Wahlberechtigten ab sechzehn Jahren teilnehmen.
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Wie gewohnt
Intro – Europa
Demokratischer Bettvorleger
Teil 1: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europäische Verheißung
Teil 2: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Soziale Energiewende
Klimaschutz in Bürgerhand: Das Energy Sharing – Europa-Vorbild: Österreich
Ode ohne Freude
Gedanken zur EU – Glosse
Was keiner haben will
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Korallensterben hautnah
Teil 2: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Wasser für Generationen
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Hilfe nach dem Schock
Teil 1: Lokale Initiativen – Opferschutz bei der Kölner Polizei
Orientierung im Hilfesystem
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Opferschutzorganisation Weisser Ring in Bochum
Häusliche Gewalt ist nicht privat
Teil 3: Lokale Initiativen – Frauen helfen Frauen e.V. und das Wuppertaler Frauenhaus
Forschung muss nicht quälen
Teil 1: Lokale Initiativen – Ärzte gegen Tierversuche e.V. argumentiert wissenschaftlich gegen Tierversuche
Kaum entdeckt, schon gefährdet
Teil 2: Lokale Initiativen – Artenschutz und Umweltbildung in der Zoom Erlebniswelt Gelsenkirchen
Ein neues Zuhause
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Wuppertaler Tierschutzverein Pechpfoten
Ankommen zu zweit
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Verein Start with a Friend knüpft Kontakte für die Einwanderungsgesellschaft
Nach dem Vertrauensbruch
Teil 2: Lokale Initiativen – Therapeuten-Netzwerk besserlieben berät auch zu offenen Beziehungen
Einander Zeit schenken
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Nachbarschaftsheim Wuppertal