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Der Zeitungsspender mutet fast wie ein museales Artefakt an
Foto: Jan Schliecker

„Finanzierungsmodelle der journalistischen Arbeit stecken in der Krise“

31. Juli 2014

Journalist David Schraven über die Zukunft seines Berufes und sein neues Projekt – Thema 08/14 Medien

choices: Herr Schraven, ist der Journalismus, so wie wir ihn kannten und ihn uns vorstellen, tot?
David Schraven
: Nein. Ganz im Gegenteil: Im Moment lebt er wie sonst was. Wir erleben so viele neue Impulse, Ansätze, so viele spannende Sachen. Überall wird Journalismus gelebt und geteilt. Was man sagen kann, ist, dass wir eine Phase des Umbruchs erleben.


Aber existiert denn überhaupt noch der klassische Journalist, als die Person, die Themen recherchiert, aufarbeitet und präsentiert?
Meiner Meinung nach auf jeden Fall. Das, was im Moment passiert, ist doch superspannend: Wir gucken über den Tellerrand hinaus. Wir erleben Geschichten, die auf der ganzen Welt spielen. Die Aufklärung geht immer weiter vorwärts – manchmal holprig, manchmal weniger. Aber so viele spannende und recherchierte Geschichten wie heute gab es wahrscheinlich noch nie.


David Schraven
Foto: privat
David Schraven hat, wie er selbst sagt, das journalistische Handwerk „auf der Straße“ gelernt. Nach Stationen bei unter anderem der „taz“, „Zeit“, „Süddeutsche“ und zuletzt als Recherche-Chef bei der „WAZ“ hat er nun das gemeinnützige Recherchebüro „CORRECT!V“ gestartet.

Ist die Tatsache, dass die Bezeichnung „Journalismus“ in Deutschland rechtlich nicht geschützt ist, ein Fluch oder ein Segen für den Beruf an sich?Was heißt für den Beruf? Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Ich finde es immer gut, wenn sich mehr Leute um die Sache der Aufklärung kümmern. Ob sie nun Journalisten heißen oder anders, ist mir relativ egal. Hauptsache die Arbeit wird gemacht, Tatbestände aufgeklärt, Sachen erklärt, die die Bürger direkt angehen. Das ist wichtig.

Aber eine Ausbildung, die dahintersteckt, ist doch vielleicht auch nicht so unwichtig…
Vor allem ist es wichtig, was die Leute machen und was sie machen können. Eine Ausbildung ist dabei doch erst einmal zweitrangig – entweder sie können, was sie machen, oder nicht. Ich bin nicht so ein Zunftmann, ich steh’ nicht so auf Zünfte.


Aber können Sie sich diese Praxis auch in anderen Berufen vorstellen – zum Beispiel Arzt?
Ein Arzt muss ganz andere Sachen können und wissen als ein Journalist. Ein Journalist ist ja eher jemand, der Methoden beherrschen muss und lernt, mögliche gesellschaftliche Zusammenhänge zu sehen, zu verstehen, zu kommentieren, aber auch aufzuklären. Diese Dinge lernt er durch die Arbeit an sich. Nehmen wir das Beispiel des Historikers: Es ist doch egal, wie er sich nennt. Wichtig ist doch, dass er Zusammenhänge erkennt und diese erklären kann und über das wissenschaftliche Instrumentarium verfügt, beispielsweise zu entscheiden, ob es sich um eine gefälschte Urkunde handelt oder eine echte.

Teilen Sie denn die Auffassung, dass der Journalismus in einer Krise steckt?
Nein. Das ist doch Quatsch. Der Journalismus steckt nicht in der Krise, kein Stück. Es geht um eine Umbruchsituation, in der er sich befindet, und in dieser Umbruchsituation stecken einige Finanzierungsmodelle der journalistischen Arbeit in der Krise. Das hat aber nichts mit dem Journalismus an sich zu tun. Ich meine: Ich kann einige wunderbare Geschichten zurzeit lesen, Geschichten, die ich vorher nie hätte lesen können. Wir experimentieren derzeit mit Erzählformen, mit Darstellungsformen, mit Rechercheformen. Das ist Wahnsinn, was da passiert, und da kann man doch nicht immer alles schwarzmalen.

Aber wie erklären Sie sich dann, dass Journalisten als Berufsgruppe in Umfragen nur knapp mehr Vertrauen in der Öffentlichkeit genießen als Politiker?
Da gibt es wohl tausend Gründe. Viele Leute machen sich eben unbeliebt. Wenn man Geschichten schreibt, die gegen den Strich gehen, dann kann man auch schon einmal unbeliebt werden. Wenn beispielsweise einige die kritische Distanz zu Politikern verloren zu haben scheinen, dann erkennen das die Leute auch.

Haben Sie denn nicht das Gefühl, dass gerade in den Kommentaren unter Onlineartikeln größerer Medien immer mehr Leser ihre Unzufriedenheit ausdrücken?
Nein, das sehe ich so nicht. Ich sehe, dass viele Leute keinen Spaß an der Arbeit anderer haben und diese kritisieren. Aber das war früher auch schon so. Ich sehe darin aber kein Problem.

Abschließend zu diesem Thema: Wer trägt die Schuld an den sinkenden Verkaufszahlen nahezu aller Printmedien?
Ich glaube, dass wir durch den Wandel durch das Internet in eine Bewegung geraten sind, von der wir noch nicht wissen, wo diese genau hingeht. Wir lernen permanent dazu. Die Nutzung der Informationsquellen ist die am dynamischsten wachsende Form im Bereich der mobilen Kommunikation. Die Menschen weisen ein ganz anderes Nutzerverhalten auf mittlerweile. Aber: Durch die Erfindung des Buchdrucks ist ja die Sprache nicht untergegangen, sondern daraus sind mit der Zeit die Zeitungen entstanden.

Sie haben mit „CORRECT!V“ nun ein eigenes Recherchebüro gestartet. Was steckt hinter dieser Idee?
Wir haben untereinander im Kollegenkreis sehr lange überlegt, was man machen, was man umbauen kann, damit man wieder besser arbeiten kann. Mit der Idee, ein eigenes Büro für Recherchearbeit zu gründen, konnten wir die Brost-Stiftung überzeugen, uns zu unterstützen.

Was unterscheidet „CORRECT!V“ denn von anderen Journalistenbüros?
Der wesentlichste Unterschied ist, dass wir gemeinnützig sind. Das heißt, wir haben keine Interessen zu bedienen – weder aus politischer oder aus wirtschaftlicher Sicht. Wir sind rein dem Gemeinwohl verpflichtet. Das bedeutet, dass wir unsere aufklärerischen, investigativen Geschichten möglichst weit verbreiten bei den Leuten, die sie angehen. Dafür wollen wir uns verschiedene Partner suchen, wo wir diese jeweils veröffentlichen können. Beziehungsweise: Nachher veröffentlichen wir die Ergebnisse auch bei uns frei für jeden. Das heißt, sie werden auch frei nutzbar werden für jeden. Das andere ist, dass wir uns anstrengen, Bildung zu verbreiten. Wir wollen die Methoden des investigativen Journalismus so breit wie möglich streuen, damit immer mehr Leute in die Lage versetzt werden, sich an der Aufklärung zu beteiligen.

Können Sie bereits ein paar Beispielthemen nennen, an denen sie gerade arbeiten?
Wir haben gerade erst unsere Arbeit aufgenommen, deshalb ist noch alles in einem sehr, sehr frühen Zustand. Ich kann Ihnen aber bereits verraten, dass wir an Geschichten rund um die Kommunalfinanzen arbeiten. Außerdem kümmern wir uns gerade um Finanzierungsmodelle für gemeinnützige Institutionen. Da arbeiten wir gerade einige Sachen auf.

Wo sehen Sie CORRECT!V in einigen Jahren?
Ich gehe schwer davon aus, dass wir wachsen werden. Ich hätte schon so in etwa einem Jahr gerne gut 20 Leute, die sich mit Themen beschäftigen können. Und die Themenauswahl ist dann hoffentlich auch bereits gestiegen.

Können Sie sich auch vorstellen, ein eigenes Medium zu werden – also nicht nur ein Büro, das Recherchearbeit leistet, sondern auch eine Plattform der Meinungsbildung?
Ja, klar. Das ist ja von Anfang an auch eine unserer Intentionen. Das wollen wir mit Sicherheit auch noch weiter ausbauen.

Zum Abschluss: Wie sieht die Zukunft des Journalismus aus?
Wie gesagt, wir befinden uns in einer Phase des Umbruchs. Dieser Umbruch geht nun schon seit etwa 20 Jahren, und wir sind schon sehr weit. Wenn das in dem Tempo weitergeht, wer weiß dann schon, wo das hingeht. Das einzige, das ich weiß: Es wird weiter Journalismus geben, und der wird spannender sein als jemals zuvor und reifer, als man sich das überhaupt denken kann.

Interview: Dominic Röltgen

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