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Cherubino (Kathrin Leidig), Susanna (Sumi Hwang), Gräfin (Anna Princeva)
Foto: Thilo Beu

Die Stasi unter dem Dach

30. Januar 2018

„Figaros Hochzeit“ am Theater Bonn – Oper 02/18

Man wähnt sich im Film „Das Leben der Anderen“; Ulrich Mühe, Spion der Stasi alias Bartolo, Intrigant am gräflichen Hofe, klettert mit Kopfhörern, Kamera und einer Peilantenne auf dem Dachboden herum und spionierte Susanna und Figaro nach. Denn Graf Almaviva möchte am überkommenen Machtsystem festhalten, der pfiffige Figaro aber will gerne alte Zöpfe abschneiden und tapeziert erst einmal sein heruntergekommenes Zimmer im Schloss. Mozarts Meisteroper hatte damals nicht umsonst Mühe, überhaupt aufgeführt werden zu dürfen. Aber – nicht wie oft üblich – verzichtet hier der Regisseur auf den politisch mahnenden Zeigefinger, sondern schenkt dem ausverkauften Haus gute drei Stunden wahres Opernglück.

Die Eingangsszene zusammen mit einem kernigen und frischen Mozart-Sound und einer veritablen Drehbühne ließ gleich vermuten, dass man es nicht mit einer weichgespülten Inszenierung oder gar Opernmuff zu tun hatte. Nein, Bonn erlebte zur Premiere eine originelle Produktion mit sehr vielen szenischen Gags unter der Regie von Aron Stiehl, mit Ausstattung von Timo Dentler und Okarina Peter, relativ junge Leute noch, für die Oper auch Theater und Unterhaltung bedeutet und die auch die nachfolgende Generation zum Besuch animieren möchten.


Barbarina (Marie Heeschen), Graf & Gräfin Almaviva (Giorgos Kanaris, Anna Princeva)
Foto: Thilo Beu

Der Figaro ist eine „Commedia per musica“, es gib viel zu Lachen inklusive Bemerkungen auf Deutsch („alte Schlampe“), aber ebenso zum verinnerlichten und verzückten Zuhören. Wenn auch die Spionageszene deutlich zu lang geriet und der exzessive Champagner-Konsum der Gräfin (mit Produktmarketing eines bekannten Herstellers mit orangem Etikett) mit jeder Menge leerer Flaschen etwas nervte. Auch den bellenden Köter in der Gartenszene muss man nicht gar so oft hören. Aber das sind eigentlich nur Marginalien in einer rundum sehr gelungenen Produktion, die viel Zwischenapplaus auslöste, wenn etwa der als Frau verkleidete Cherubino sich immer extrem breitbeinig hinsetzte, beim Fenstersprung im Orchestergraben landete und sich an der ersten Reihe vorbei verdrückte. Oder der Graf in seiner Zimmersauna den Rauch wie Zigarrenqualm genussvoll ausblies und mit seiner Heimwerkerbohrmaschine auf seine Gemahlin zielte, die prompt artig die Hände hob. Herrlich auch die große Tanzszene ähnlich wie beim Gymnastikkurs in einer VHS – die hätte man sich glatt als Zugabe gewünscht.

Zentrum ist die Kulisse mit einem quasi aufgeschnittenem Haus, welches durch Drehung Einblick in mehrere Räume erlaubt und die – ganz fabulös – in der Gartenszene samt der Einrichtungsgegenstände hoch oben in der Luft schwebt, einige Türen und Möbel ausgenommen, zwischen denen dann das bekannte Versteckspiel abgeht. Vielleicht eine Anspielung für die damalige marode Gesellschaft. Ganz hoch gelobt werden muss hier Max Karbe, der mit Licht, Farben, mit bläulichem Nebel und bunten Wolken eine intensive und fast zu Tränen rührende Stimmung geschaffen hat.


Wilfried Zelinka als Figaro, Foto: Thilo Beu

GMD Dirk Kaftan hatte sein Beethovenorchester blendend einstudiert. Im Klang anfangs noch leicht ruppig und manchmal etwas zu laut, fand es nach der Pause –vielleicht wie nach einem Trainergespräch in der Halbzeit – zu einem sinnlichen Mozartklang, präzise und mit wunderbaren Bläserfarben. Auch Julia Strelchenko muss für ihren kongenialen Einsatz auf dem apart klingenden Hammerklavier gelobt werden. Unter den Sängern gefielen insbesondere die weiblichen Rollen: die fantastische Anna Princeva als Contessa mit gutvoller Stimme und berückendem Piano (und das bei diesem Alkoholkonsum!), die zierliche Koreanerin Sumi Hwang als quirlige Susanna mit herrlichem Sopran und Kathrin Leidig als fabelhafter Cherubino. Wilfried Zelinka als Figaro ist sehr bühnenpräsent und verfügt über einen sinnlichen und volltönenden Bariton: Gerne würde man ihn mal als Don Giovanni erleben. Der gestandene hauseigene Recke Georgios Kanaris mimt und singt den Grafen sehr sonor und achtbar. Die kleineren Rollen sind mit Susanne Blattert, Christian Georg, Martin Tzonev, Boris Beletsky und Marie Heechen rollengerecht  und ganz prima besetzt. Auch der stimmstarke und famos spielende Chor unter Marco Medved muss lobend erwähnt werden. – Eine rundum geglückte Produktion und ein Glücksfall für die Bundesstadt Bonn, deren Besuch dringend angeraten wird, und gerade für Opernneulinge.

„Figaros Hochzeit“ | R: Aron Stiehl | 31.1., 14.2., 23.2., 2.3. 19.30 Uhr, 18.3. 18 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08

Michael Cramer

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