Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.558 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Banales wird zu Politischem: Avi Mograbi im Gespräch
Foto: Rebecca Ramlow

Politisches im Banalen

09. Oktober 2015

„Immer Ärger mit Avi“ am 8.10. im Academy Space

Die Körpersprache ist extrem reduziert, die Mimik Angst einflößend höflich, daraufhin folgt langes betretenes Schweigen. Niemand spricht. Allgegenwärtig ist nur der ohrenbetäubende Lärm eines Helikopters. Die scheinbare Belanglosigkeit seiner Filme ist irgendwie verstörend. Dann sieht man plötzlich Avi Mograbi in seinem eigenen ersten und einzigen Spielfilm. Man kommt nicht darum herum, heimlich sein damaliges Aussehen mit dem heutigen zu vergleichen. Schließlich ist er anwesend. Titel des ersten im Academyspace präsentierten Kurzfilmes: „Deportation“.

Der israelische Regisseur ist in beinahe jedem seiner Filme zu sehen, aber keiner handelt von ihm. Das muss man erst einmal schaffen. Mograbi stammt aus einem eher konservativen Umfeld, sein Vater war nicht begeistert, dass er Film und später auch noch Kunst studierte, wie er im Gespräch mit Rasha Salti verrät, die ihn liebevoll als „etwas verrückt“ vorstellt.

Sein zweiter präsentierter Kurzfilm lautet „Tavlit“ – eine in einer einzigen Einstellung geschossene Endlosschleife. Die schrille Geräuschkulisse ist nervtötend, sie schlägt auf’s Gemüt. Die sich wiederholenden Bilder einer Ansammlung von Palästinensern, die von israelischen Soldaten aufgehalten werden, sind wackelig, man hat das Gefühl, seekrank zu werden. Es ist wie auf einem Karussell, das sich immer wieder im Kreis dreht. Keiner kann sich wirklich fortbewegen. Diese Endlosigkeit ist leider symbolisch: Der Konflikt in Nahost erscheint ebenfalls nicht auflöslich und bisweilen ausweglos.

Avi Mograbi: Radikales Autorenkino

Avi Mograbis Werke sind eine indirekte Kritik an der Gesellschaft und an der Politik Israels. Diese würde zunehmender faschistischer, beklagt er im Gespräch. Die Form seiner Werke ist experimentell, die Inhalte oft realistisch. Leider, denn der Konflikt in Nahost scheint realer denn je. Dem Vertreter des radikalen Autorenkinos gelingt es dabei auf subversive Weise, das Banale so scharfsinnig auf den Punkt zu bringen, dass er die Unstimmigkeiten der israelischen Gesellschaft und die Besetzung Palästinas ans Licht bringt. Er selber wird dabei zum Teil dieses krankenden Systems.

So endet der dritte und letzte Kurzfilm, in welchem Avi Mograbi scheinbar unaufhörlich mit einem palästinensischen Freund telefoniert, wie sein gleichnamiger Titel mit den simplen Worten: „Wait, It’s the soldiers, I’ll hang up now“. Sein Freund legt auf. Dem Filmemacher gelingt es nicht, ihn noch einmal zu erreichen. Ist das noch Film oder schon Realität? Das Ende ist in jedem Fall verstörend.

Rebecca Ramlow

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Challengers – Rivalen

Lesen Sie dazu auch:

Woyzeck im Karneval
„kah.na.v‘aw“ in der Akademie der Künste der Welt – Kunstwandel 11/23

Der Atem des Films
Das Festival „Edimotion“ holt die Monteure des Films ins Rampenlicht – Festival 10/23

Grenzüberschreitende Geschichten
Filmforum NRW mit eigener Filmreihe „Grenzgänge“ – Reihe 04/23

Von wegen: No Future!
Das Afrika Film Festival blickt nach vorne – Festival 09/22

Eins, zwei, drei
Filmforum eröffnet den nächsten Zyklus der „Filmgeschichten“ – Reihe 05/22

Vom Kolonialismus zum Postkolonialismus
18. Afrika Film Festival blickt auf Historie und Gegenwart – Festival 09/21

Tabula rasa
Eine Reihe zu filmischen Manifesten – Reihe 04/20

Utopisch denken
Ausstellung „Sci-(no)-Fi“ im Academyspace – Kunst 10/19

Wir kopieren nicht zum Spaß
„Copy It!“ im Academyspace – Kunst 04/19

Erkundung der Kinolandschaft
Eine Filmreihe widmet sich den „Mythen der Wildnis“ – Festival 03/19

Radikaler Kunstvermittler
Filme von James Scott zur Ausstellung Hockney/Hamilton – Festival 02/19

„Wie wird mit Erinnerungen umgegangen?“
Akademie-Leiterin Madhusree Dutta will archivieren und vernetzen – Interview 12/18

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!