So viele Gemälde! Und dann noch so große Formate, welche die sich verzweigenden Räume im Obergeschoss des Kunstmuseum Bonn einnehmen. Die Bilder stammen von 53 Malerinnen und Malern, die, seit den späten 1970er Jahren geboren, in Deutschland tätig sind. Die Ausstellung „Jetzt!“ ist parallel zu sehen in den Museen in Bonn, Chemnitz und Wiesbaden und daran anschließend in den Deichtorhallen Hamburg. Sie belegt vor allem, wie aktiv und intensiv die Malerei in der Gegenwart und allen Neuen Medien zum Trotz betrieben wird. Sie deckt ein enorm weites Spektrum ab, Gegenständliches ist ebenso vertreten wie Figürliches, das sich bis zum Comic oder bis in die Abstraktion bewegt, Fläche ist oder Raum evoziert. Es wird ernsthaft, gewissenhaft und flapsig gemalt. Farbe liegt semitransparent übereinander oder grenzt aneinander. Die Geste und der Austausch zwischen Zeichnung und Malerei – die Linie! – spielen bei den gezeigten Werken eine große Rolle, zugleich gewinnt der Bildträger als solcher an Bedeutung. Die Malerei bzw. die Farbe erweitert sich in den Raum und vollzieht mitunter den Abschied vom Tafelbild. Und doch ist auch bei diesen Beiträgen evident, dass sie von Malerei handeln.
Zu den bekannteren Künstlern gehören Cornelia Baltes, Peppi Bottrop, Paul Czerlitzki, Sabrina Fritsch, Gregor Gleiwitz, Vivian Greven, Toulu Hassani, Franziska Holstein, Florian Meisenberg, Jana Schröder – aber eigentlich ähneln sich die Biographien frappierend. Manchmal lässt sich aufgrund der Handschrift geradezu erraten, bei welchem etablierten Maler die jungen Künstler studiert haben. Und dann fällt in der Ausstellung ein Übergewicht bestimmter Kunsthochschulen und Lehrerpersönlichkeiten auf, das wiederum mit den Biographien der Kuratoren zusammenhängt, die die Auswahl gemeinsam vorgenommen haben und wohl deshalb nur Bilder an Bilder fügen. Also, es gibt in der Ausstellung richtig tolle Malerei und auch künftig zu beachtende Künstler zu sehen und zu entdecken. In der Masse aber stehlen sich die Werke ihre Differenziertheit. Der Anspruch, von allem etwas zu zeigen, kann ja gar nicht gelingen. Kurzum, den Wald sieht man vor lauter Bäumen nicht.
Jetzt! Junge Malerei in Deutschland | bis 19.1. | Kunstmuseum Bonn | 0228 77 62 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Aus dem Nachbarland
Dorothea von Stetten-Kunstpreis im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/22
Reise ins Körpergehäuse
Maria Lassnig im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 03/22
Ursachen der kunstvollen Wirkung
„Passierschein in die Zukunft“ im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 12/21
Betörende Melancholie garantiert
Norbert Schwontkowski im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 01/20
Früher adelten die Museen Qualität
Mehr als 500 Bilder: „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ – Kunstwandel 11/19
Digital, böse, und etwas flüssig
Der dänische Blick: 18. Dorothea von Stetten Kunstpreis in Bonn – Kunstwandel 09/18
Die Vorstellungen weigern sich
Thomas Scheibitz im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/18
Dachlatten und Kaviar
Georg Herold im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/17
Jeder Zyklus hat einen Anfang
Der frühe Gerhard Richter im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/17
Kunstwerke mit Zeitfaktor
Die 16. Videonale im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/17
Alle Zeit rastet nicht
Sommerausstellung (in) „EchtZEIT“ im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/16
Der beliebteste Fremdkörper
„TeleGen – Kunst und Fernsehen“ in Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 11/15
Farben des Lichts
Etel Adnan im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/23
Kunst aus Worten und Sätzen
Jenny Holzer im K21 in Düsseldorf – Kunst in NRW 04/23
Draußen, im Licht
Die Ölstudie im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 03/23
Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23
Bäume und Linien
Piet Mondrian in Düsseldorf – Kunst in NRW 01/23
Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22
Zeitgeschichte als Skulptur
Reinhard Mucha in der Kunstsammlung NRW – Kunst in NRW 11/22
Zügige Gesten auf den Punkt
Martha Jungwirth in der Kunsthalle Düsseldorf – Kunst in NRW 10/22
Antennen in die Zukunft
„The Camera of Disaster“ in Mönchengladbach – Kunst in NRW 09/22
Chiffren des Leidens, des Widerstands
Berlinde De Bruyckere im Arp Museum Rolandseck – Kunst in NRW 08/22
Farben hinter Glas
Karin Kneffel im Max Ernst Museum des LVR – Kunst in NRW 07/22
Fließende Formen
Isamu Noguchi im Museum Ludwig – Kunst in NRW 06/22
Himmel und Erde
„Lygia Pape – The Skin of All“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/22