Ob man in dieser Welt überhaupt glücklich werden kann, diese Frage hätte der Bremer Maler Norbert Schwontkowski (1949-2013) wohl auch nicht beantworten können, er war schließlich Maler und reflektierte seine Umgebung immer hintergründig skeptisch, immer distanziert – oft bitterböse. „Das ganze Leben“, so lernen wir in einem seiner kleineren Bilder (40x60 cm), ist nur etwas bräunliches Licht zwischen zwei schwarzen Dürrenmattschen Tunneln. Die Allegorie vom Mutterleib in den Tod scheint niedlich, der dampfende Zug rollt durch eine einsame requisitenlose Landschaft und das ist der eigentliche Schrecken, der sich auch im nächsten Bild manifestiert. Aus der Entfernung sieht man sechs weiße Schwäne, die sich lamentierend im Wasser zusammengefunden haben, die braune Flüssigkeit, in der sie da paddeln, kommentieren sie mit dem Titel des Malers: „Wir in dieser Drecksbrühe“ (Öl auf Leinwand, 1997).
Die meisten der rund 60, in der Regel großformatigen Arbeiten, tragen Titel, die das Gemalte oft geheimnisvoll verwirren. Schwontkowski muss in Deutschland erst noch von der breiten Öffentlichkeit entdeckt werden, er ist niemand, dessen Spektakulum für staunendes Raunen sorgt, niemand, der bisher in Vorstandetagen hinter fetten Schreibtischen zu hängen kommt. Dennoch schleicht seine Welt langsam in die Köpfe der Besucher im Bonner Kunstmuseum und mit„Some of my secrets“ (Einige meiner Geheimnisse) bleibt der Titel der Ausstellung genauso undurchsichtig wie das Titelgemälde „Alle wollen nach Hause“, auf dem selbst riesige Edelsteine den endlosen Verkehr ohne Außenwahrnehmung nicht stoppen können.
Ja,Norbert Schwontkowski hat ungesund gelebt, ja derderMaler starb, als gerade die Aufmerksamkeit im Kunstmarkt wuchs, und? Geblieben sind seine Skizzenbücher in Vitrinen, seine Gemälde an den Wänden und seine künstlerische Außergewöhnlichkeit ohne Farbrausch. „Der frühe Morgen im Nebel“ (Öl auf Leinwand, 2009), der vom dünnen Licht zweier Scheinwerfer durchbrochen wird, hängt immer noch in meinem Kopf. Sein „Letzter Brief vom letzten Menschen“ (Öl auf Leinwand, 2009) bleibt unleserlich auf blauem Grund. Seine Bilder, so der Maler, „stellen nichts vor, sie erzählen nichts“. Unverrückbar und still entziehen sie sich dem Dialog, der Konversation, dem Gequatsche.
Norbert Schwontkowski: Some of my secrets | bis 16.2. | Kunstmuseum Bonn | 0228 77 62 60
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die Farbe der Ironie
Bonn zeigt Werkschau zu Wiebke Siem – Kunst 07/23
Aus dem Nachbarland
Dorothea von Stetten-Kunstpreis im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/22
Reise ins Körpergehäuse
Maria Lassnig im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 03/22
Ursachen der kunstvollen Wirkung
„Passierschein in die Zukunft“ im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 12/21
Maler unterwegs
„Jetzt!“ im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/19
Früher adelten die Museen Qualität
Mehr als 500 Bilder: „Jetzt! Junge Malerei in Deutschland“ – Kunstwandel 11/19
Digital, böse, und etwas flüssig
Der dänische Blick: 18. Dorothea von Stetten Kunstpreis in Bonn – Kunstwandel 09/18
Die Vorstellungen weigern sich
Thomas Scheibitz im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/18
Dachlatten und Kaviar
Georg Herold im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 12/17
Jeder Zyklus hat einen Anfang
Der frühe Gerhard Richter im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/17
Kunstwerke mit Zeitfaktor
Die 16. Videonale im Bonner Kunstmuseum – Kunstwandel 03/17
Alle Zeit rastet nicht
Sommerausstellung (in) „EchtZEIT“ im Kunstmuseum Bonn – Kunstwandel 08/16
Ereignisreiche Orte
Simone Nieweg in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung im Mediapark – kunst & gut 11/23
Woyzeck im Karneval
„kah.na.v‘aw“ in der Akademie der Künste der Welt – Kunstwandel 11/23
„Das sind keine elitären Räume“
Künstlerin Rike Hoppse und Mitorganisatorin Lea Geraedts über die 18. KalkKunst – Interview 10/23
Die Revolution des Friedens
„Héroïnes“ im Bunker K101 – Kunst 10/23
Sehen in Lichtgeschwindigkeit
Horst H. Baumann im Museum für Angewandte Kunst – kunst & gut 10/23
Ein Leben lang im inneren Tod
Claire Morgan in der Galerie Karsten Greve – Kunstwandel 09/23
Seitwärts tickende Zukunft
Museum Ludwig zeigt „Über den Wert der Zeit“ – Kunst 09/23
Die eigene Geschichte
„Ukrainische Moderne & Daria Koltsova“ im Museum Ludwig – kunst & gut 09/23
Schatten schlägt Licht
„Sommerwerke 2023“ in der Galerie Kunstraub99 – Kunstwandel 09/23
Sturzflug der Vogelmenschen
„In der Idolosphäre“ in Köln – Kunst 08/23
Gestohlene, zerstörte Erinnerungen
„Artist Meets Archive“: Lebohang Kganye im RJM – kunst & gut 08/23
Farbsehen und Raumfühlen
Mechtild Frisch in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 07/23