In einer multimedialen Choreografie setzt sich Antje Velsinger mit den „Bodies of Capitalism“ auseinander: mit Körpern, an denen sich Aspekte der Konsum- und Leistungsgesellschaft festmachen lassen. „dreams in a cloudy space“ fragt nach der Sichtweise der Gesellschaft auf alte Körper, die jedenfalls dem Anspruch der Leistungsfähigkeit nicht mehr voll entsprechen. Antje Velsinger ist freischaffende Choreografin und Performerin in Köln und Hamburg.
choices: Antje, nach einer „Choreografie für riesige Körper“ nun alte Körper – auch dies „Bodies of Capitalism“, oder eher das Gegenteil?
Antje Velsinger: Der Leistungsanspruch innerhalb unserer Gesellschaft macht vor dem Körper natürlich nicht halt. Daher hinterfragen alte Körper immer auch unsere gesellschaftliche Faszination für Leistungsfähigkeit. Wie gehen wir damit um, wenn Körper hilfsbedürftig werden? Wenn wir über alte Körper sprechen, sprechen wir meistens über ihr Defizit, darüber, was sie nicht mehr können und nicht mehr sind. Für „dreams in a cloudy space“ hat mich interessiert, diese Perspektive zu verschieben: Wie kann man alten Körpern begegnen und sie wahrnehmen jenseits von dem, was sie nicht mehr leisten und somit auch alternative Haltungen zum Altern finden?
Du hast die im Vorfeld Begegnung mit alten Menschen gesucht, was hast du dabei insbesondere mitgenommen?
In der Vorbereitung habe ich viele Interviews geführt, um herauszufinden, wie Menschen zwischen 75 und 95 Jahren ihre Körper wahrnehmen. Diese Interviews waren unheimlich spannend und deckten eine Bandbreite von Gefühlen und Haltungen zum Altern ab, zwischen Einsamkeit, Isolation und Schmerz, über einen großen Humor bis hin zu einer spielerischen Leichtigkeit, in der wiederum eine große Freiheit lag. Mit drei Interviewpartnerinnen hat sich dann ein längerer Austausch entwickelt, in dem wir mit performativen Aufgaben experimentiert haben. Hieraus ist eine künstlerische, experimentelle Videoarbeit entstanden, die Teil der Inszenierung geworden ist.
Wie hat sich dein eigener Blick auf ältere Menschen durch den Prozess des Projektes gewandelt?
Durch das Projekt habe ich bei vielen meiner InterviewpartnerInnen eine sehr berührende Offenheit, Neugier und auch Dankbarkeit erlebt. Viele hatten eine beeindruckende Kraft und ein ganz klares Bedürfnis, gebraucht zu werden und auf eine für sie mögliche Weise am Leben teilzunehmen. In diesen Situationen habe ich gedacht, dass uns jungen Menschen auch etwas entgeht, wenn wir uns so von den alten Menschen abtrennen.
Was bringen die Tänzerinnen Pauline Payen und Brigitta Schirdewahn ein?
In den Begegnungen und Interviews mit den alten Menschen haben sich drei Themenbereiche auffällig häufig wiederholt, und zwar die Themen Berührung, Halt, Grenze. Diese Themen habe ich auch mit den beiden professionellen Tänzerinnen Pauline Payen (35 Jahre) und Brigitta Schirdewahn (75 Jahre) choreografisch bearbeitet. Durch ihren Altersunterschied ist jede von ihnen sehr unterschiedlich mit den Themen umgegangen, wodurch sich verschiedene Erfahrungen, Bedürfnisse und auch Ängste artikulieren konnten, die dann in den künstlerischen Prozess einfließen konnten.
Welcher Mittel bedient sich eure Performance?
„dreams in a cloudy space“ ist eine multimediale Choreografie, in der Tanz mit verschiedenen Medien in Dialog gebracht wird. Die Videokünstlerin Ayla Pierrot Arendt nutzt ihr Medium Video, um drei neunzigjährige Frauen zum Teil der Choreografie werden zu lassen. Die Soundkünstlerin Julia Krause vermischt Stimmaufnahmen aus den Interviews mit abstrakten Soundwelten. Und die bildende Künstlerin Sophie Aigner hat eine Bühnenwelt aus Schaumstoff entworfen, die verschiedene Hilfsmittel beherbergt. Aus diesem Zusammenspiel der verschiedenen Medien entstehen verschiedene traumartige Szenerien, in denen für die Betrachterinnen Grenzen unscharf werden: zwischen Aktivität und Passivität, Isolation und Rückzug, Freude und Resignation.
„dreams in a cloudy space“ | Fr 22.11.(P), Sa 23.11. je 20 Uhr, So 24.11. 18 Uhr | TanzFaktur | 0221 222 00 583
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